Toni Stadler - Aglaia - image-1

Lot 460 Rα

Toni Stadler - Aglaia

Auktion 822 - Übersicht Köln
04.06.2002, 10:30 - Moderne Kunst 4. Juni 2002
Schätzpreis: 70.000 € - 80.000 €
Ergebnis: 94.400 € (inkl. Aufgeld)

Bronzeplastik. Höhe 97 cm, Breite 96 cm, Länge 208 cm. An der linken Schulter signiert TST. Einer von 3 Güssen; Gießerei Lotito und Polzoni.
Weczerek 116 b

1961 erhält Toni Stadler den Auftrag für George C. Marshall in Frankfurt eine Gedenkstätte zu entwerfen. Er wählt eine gänzlich unmonumentale, anmutige Lösung vor der Alten Oper. Der berühmte Marshall-Brunnen entsteht in ersten Entwürfen in Rom, der Stadt mit den schönsten Brunnen. Stadler gestaltet ein rundes Wasserbecken mit drei liegenden weiblichen Figuren.
„[...] eine Insel der Ruhe, die etwas von südlicher Heiterkeit in das Großstadtgetriebe vor dem alten Opernhaus bringt. Er greift den italienischen Dreiklang: Platz, Fassade, Brunnen auf, und in sprudelndem Wasser bewegt sich die Trias der Gestalten, Wasserwesen aus mittelmeerischem Geist geboren: Nymphen der Quellen. Man vergegenwärtigte sich den Symbolgehalt der Quellen in Zusammenhang mit dem, was der Anlaß für dieses Denkmal war: eben mit Dankbarkeit daran erinnern, daß der Marshall-Plan den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg entscheidend begründet hat, und nehme die Verse aus Faust II dazu, die der Künstler dem Werk mitgegeben hat:

Aglaia:
Anmut bringen wir ins Leben
Leget Anmut in das Geben.
Hegemone:
Leget Anmut ins Empfangen
Lieblich ist's den Wunsch erlangen.
Euphrosyne:
Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmutig sei das Danken.

Hier wird deutlich, in wie glücklicher Weise Stadler auch dem Sinngehalt einer solchen Aufgabe gerecht geworden ist. Das Wechselspiel der Figuren, die jede für sich eine in sich geschlossene Variante von weiblicher liegender Figur ist, erscheint in der Gesamtschau vielfältig aufeinander bezogen. Die Bewegung des Wassers, die Reflexe des Lichts verbinden sich mit der Landschaft der Körper und Gewänder. Es sind elementare Wesen, von einer 'barocken' Fülle und Kraft, die um eine Mitte kreisen, Urgestalten, aber mit Anmut versehen, die in ihrer gestrafften Durchführung der raumbestimmenden Bewegtheit an die Nymphen des Neumarktbrunnens in Wien von Raphael Donner denken lassen." (Thomas Weczerek, Toni Stadler, Das plastische Werk, München 1988, S. 23 f.)
Eine dieser drei Figuren kommt auch vor der Neuen Pinakothek in München zur Aufstellung (Weczerek 116 a, I). Nachdem Stadler in Köln seinen Gießer aus Rom wiedertrifft, entstehen weitere drei Güsse. Insgesamt gibt es sechs. Die letzten drei werden von ihm geringfügig verbessert. Der vorliegende ist einer davon.

Werkverzeichnis

116 b Weczerek

Literaturhinweise

vgl. Doris Schmidt, Der Marschall-Brunnen, Frankfurt 1965; Doris Schmidt, Toni Stadler, St. Gallen 1971, S. 15, Abb. 15

Ausstellung

Emden (Kunsthalle); München (Bayerische Staatsgemäldesammlungen); Chiemsee (Burg Marquardstein); Köln (WestKunst)