Karl Hofer
Liegende im Gemach
1941
Öl auf Leinwand 81 x 117 cm monogrammiert
Frei von den visionären Vorzeichen drohenden Unheils der für die vierziger Jahre so typischen Motivik, ist das Sujet der "Liegenden im Gemach" eher ein klassisches Thema und kann als Reminiszenz oder Kommentar kunsthistorischer Wertvorstellungen verstanden werden.
Bereits um 1900 besuchte Karl Hofer mit Julius Meier-Graefe die Sammlung französischer Impressionisten des Kunsthändlers Durand Ruel; darunter waren Werke von Renoir, Degas und Manet. Vor allem Edouard Manets 1863 gemalte "Olympia" (Paris, Musée d'Orsay) ist die kunsthistorische Grundlage, vor der man die Entstehung des Gemäldes "Liegende im Gemach" sehen muß.
So formuliert Hofer in seinen Betrachtungen "Über das Gesetzliche in der bildenden Kunst": "Manet hatte die seltene Fähigkeit zu großer Form; sie tritt in seinem Hauptwerk, der 'Olympia', rein und eindeutig in Erscheinung [...]. Es gibt Tausende von Möglichkeiten, eine liegende nackte Figur zu malen und nur sehr wenige, sie so zu gestalten, wie es hier geschehen. Die einmalige, gültige Körperformel ist gefunden. Ingres entsteht hier neu, aber in blühender, kräftiger Malerei." (Ders, ebenda, hrsg. von Kurt Martin, Berlin 1956, S. 123) Ingres' "Odaliske" kommentiert er an anderer Stelle als "unendlich mehr als schön gemalte Natur. [...] Ich kenne nichts Wollüstigeres, freilich in Form sublimiert, als diese Gestaltungen von Frauen, diese unter dem Vorwand der Odaliske dargebotenen Leiber." (ebenda, S. 101) Zwei Jahre nach dem vorliegenden Akt entsteht eine weitere "Liegende im Gemach", deren gestreifter Kopfputz, zum Turban geschlungen, und lasziv wie lässig gehaltener Fächer so auch unverkennbar Dekoration und Attribute der "Odaliske" Ingres' zitieren (s. Abb.).
Im Gegensatz zu Manets "Olympia" ist der Körper des Modells, der "Liegenden im Gemach", nicht nur bildparallel ausgerichtet, sondern aufgrund von Torsion des Rumpfes und der Verschränkung von Armen und Beinen ist eine Raumtiefe erzeugt, die dort durch die Assistenzfigur der Dienerin erfolgt. Mit dieser Verschränkung geht ein sphingenhaft unbestimmter Blick einher, der am Betrachter vorbei eher äußere Beteilung ablehnende Introspektion und innerliche Distanz vermittelt. "Olympias" selbstbewußter Blick hingegen zwingt den Betrachter auf ihren stolz präsentierten Körper zu schauen. Trotz dieser Differenzen ist auch bei Hofer die Verfolgung der "großen Form" nachzuvollziehen. So ist mit einfacher und großzügiger Formgebung die Figur im Raum verankert, eine Ruhe evoziert, die mit Hilfe raffiniert gesetzter Farbkorrespondenzen abwechlungsreich gestaltet, niemanden der langen Weile aussetzt.
Werkverzeichnis
Das Werk ist im Karl Hofer-Archiv verzeichnet. Wir
Zertifikat
Das Werk ist im Karl Hofer-Archiv verzeichnet. Wir danken Bernhard Wohlert für freundliche Auskünfte.
Provenienz
Eheleute Dr. W. Schmitt; Rheinische Privatsammlung
Ausstellung
Düsseldorf 1971 (Städtische Kunsthalle), Freie Berufe sammeln, Nr. 94 "Liegende" (mit rückseitigem Aufkleber)