Bleistiftzeichnung auf glattem Velin 24,3 x 19,1 cm, unter Glas gerahmt. Unten links mit dem roten Signaturstempel Degas (Lugt 658, Atelierverkäufe von 1918/1919). - Auf chamoisfarbenen Halbkarton 37 x 30,9 cm aufgezogen.
Im Unterschied zum Motiv des Pferdes mit männlichem Jockey bzw. des "gentleman-riders" (P.A. Lemoisne), das das Werk im Rahmen der Darstellungen vom Rennplatz seit den 1870er Jahren durchzieht, zeigt die vorliegende Zeichnung Degas' eine skizzierte Dame in langem Rock, die seitlich aufsitzt. Ist die Reiterin nur angedeutet, so ist die Darstellung des gespannt stehenden Pferdes mit seinem kräftigen Brustkorb betont platisch entwickelt und durchgearbeitet.
Degas' "Anspruchsdenken war ausschließlich auf die Erweiterung des Könnens gerichtet. Dabei war ihm ein unbestechlicher, kritischer Geist der strengste Rezensent. Liebermann nannte ihn 'einen stolzen Einsamen; von eifersüchtigem Egoismus, nicht auf den Erfolg, sondern auf seine Kunst'. Ebenso anspruchsvoll bezüglich der eigenen Bildergebnisse war nur Cézanne. (...) Den Prinzipien, in deren Geist Degas erzogen war und denen er die Treue hielt, entsprach eine in hohem Maße inspirierte künstlerische Haltung. Sie zeichnete sich durch Wahrhaftigkeit und eine Fähigkeit zur Formbeurteilung aus, die Eindringlichkeit besaß, ohne je der Aufdringlichkeit eines wie auch immer gearteten Viruosentums erlegen zu sein. 'Alles ist bei ihm Intuition', betonte Liebermann, 'daher der plötzliche, unmittelbare, schlagende Eindruck.' Diesen gewinnt man am ehesten im weitgefaßten zeichnerischen Medium, das Degas zum Grundanliegen seines Schaffens geriet, ja ihn zum Zeichner schlechthin machte, der die Meinung vertrat, daß man Maler werden könne, indes man zum Zeichner geboren sein müsse. (...) Für keinen seiner Generation hatte der Umgang mit Bleistiften, Kreiden, Pastellstiften, Kohle und Papier als tonangebendem Bildträger einen solchen Stellenwert. (...) Die Zeichnung war Degas das, was Manet und den Impressionisten die Farbe bedeutete. Sie war das einzige Medium, das er über mehr als fünf Jahrzehnte beibehielt, wohingegen die Beschäftigung mit der Malerei, der Druckgraphik, der Monotypie oder Skulptur auf einzelne Zeiträume oder spezielle Werkphasen beschränkt blieb. In der Zeichnung paßte sich der Künstler überzeugend den ausgewählten Vorbildern an; und doch ist es ebenso die Zeichnung, in der sich sein Stilwollen am prägnantesten erfüllte und er sich am weitesten von den Ausgangspunkten entfernte. Zeichnerisch vermochte sich diese stark zurückgenommene Persönlichkeit ohne weiteres zu äußern." (Götz Adriani in: Ausst. Kat. Edgar Degas, Pastelle, Ölskizzen, Zeichungen, Tübingen/Berlin 1984, S. 15, 16 -17).
Provenienz
IVe Vente Atelier Degas, Galerie Georges Petit, Paris 1919, Cat. No. 221 b, S. 186 mit Abb.