Ernst Barlach - Das Wiedersehen - image-1

Lot 777 Dα

Ernst Barlach - Das Wiedersehen

Auktion 867 - Übersicht Köln
04.12.2004, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 55.000 €
Ergebnis: 69.020 € (inkl. Aufgeld)

Ernst Barlach

Das Wiedersehen
1926/1930

Bronzeplastik Höhe 47,3 cm Auf der Standfläche hinten rechts signiert E. Barlachsowie am rechten Plinthenrand mit den eingeschlagenen Giesserstempeln "H. NOACK BERLIN" versehen. Gießerstempel H. Noack Berlin - Mit dunkler, nach Braun tendierender Patina.

"Das Wiedersehen", die Begegnung des auferstandenen Christus mit dem ungläubigen Jünger Thomas darstellend, geht auf Zeichnungen aus dem Jahre 1922 zurück. 1926 schuf Barlach diese Gruppe aus Mahagoni-Holz (Höhe 90 cm) und 1930 entstand in verkleinertem Maßstab die Bronzefassung.
Oft in der bildenden Kunst als Motiv dargestellt, liegt das erzählerische Gewicht häufig auf der Prüfung der offenen Speerwunde Christi, die ein römischer Soldat ihm nach dem Kreuzigungstod zugefügt hatte. Barlach folgt zwar der Schilderung des Evangelisten zur Begegnung Christi mit Thomas: dieser war nicht bei der Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern anwesend, und Christus erfüllte bei einer weiteren Erscheinung nach acht Tagen den Wunsch des Thomas, seine Wundmale an Händen, Füßen und an der Körperseite zu sehen und berühren zu dürfen, um glauben zu können. Doch ist die Figurengruppe Barlachs nicht direkt als religiöses Werk anzusehen. Schon durch die Titelgebung "Das Wiedersehen" hebt Ernst Barlach das Motiv auf eine allgemeinmenschliche Ebene.
In sparsamer, sehr eindrucksvoller Körpersprache sind die Festigkeit der Christusgestalt in ihrer aufrechten Haltung sowie der tiefe Pessimismus des Jüngers in dem leicht eingeknickten, gebeugten Körperumriss wiedergegeben. Daß Barlach Allgemeingültiges gestaltete, klingt besonders in den Köpfen an, die, fast Gesicht an Gesicht, zwar die größte Nähe zeigen, aber auch die geistige Distanz zwischen beiden spüren lassen. Denn Thomas blickt mit weitaufgerissenen Augen traurig und sehnsuchtsvoll zu Christus auf, während dieser den Kopf in einer Verzeihung andeutenden Neigung leicht abwendet und, wie in Gedanken, an ihm vorbei schaut. Er ist nicht der sieghaft Auferstandene mit schönem Körper, der den Tod überwunden hat, wie ihn die Maler des Mittelalters darstellten, sondern bleibt der dem Leiden unterworfene Mensch. So ist es kein Zufall, daß Barlach eine solche in ihrer Menschlichkeit auch an das Gleichnis vom Vater und dem verlorenen Sohn erinnernde Szene wählte, um sein Weltverständnis zu illustrieren: Erlösung wird nur finden, wer sich in seinem Handeln den Maßstäben der Wahrhaftigkeit und Mitmenschlichkeit aus freier Verantwortung verpflichtet fühlt. Wie sehr diese Einstellung den nationalsozialistischen Machthabern suspekt erschien, belegt, daß "Das Wiedersehen" als einzige Arbeit Barlachs in der Ausstellung "Entartete Kunst" erschien. Bernhard Böhmer gelang es, die 1937 beschlagnahmte Holzgruppe 1939 zurückzukaufen, sie befindet sich heute als eine der eindruckvollsten Arbeiten Barlachs in der Sammlung von Hermann F. Reemtsma, Hamburg.

Werkverzeichnis

Schult 306

Provenienz

Galerie Vömel, Düsseldorf (1968); Rheinische Privatsammlung

Literaturhinweise

Paul Ortwin Rave, Kunstdiktatur im Dritten Reich, Abb. nach S. 56

Ausstellung

Berlin/Düsseldorf 1930 (Galerie Alfred Flechtheim), Bronzen von Ernst Barlach, Kat.-Nr. 17; Hannover 1931 (Kestner-Gesellschaft), Kat. S. (2); München 1937, Ausstellung "Entartete Kunst"; New York 1938 (Buchholz Gallery), Ernst Barlach Memorial Exhibition; Zürich und Luzern 1939 (Galerie Théodore Fischer); San Francisco 1939 (Golden Gate Exhibition); Hamburg 1948 (Galerie Rudolf Hoffmann), Ernst Barlach, Gedächtnisausstellung, Kat.-Nr. 13 mit Abb. auf S. (2); Düsseldorf 1951 (Galerie Alex Vömel), Kat.-Nr. 10; New York 1956 (Grace Borgenicht Gallery), Kat.-Nr. 15; Bremen 1959 (Kunsthalle), Kat.-Nr. 501