Lot 1062 Rα

Schrift und Text sind im "Merz"-Kunstwerk Schwitters untrennbar mit der Gestaltung verbunden und fügen sich mit Farbe und den Material-Versatzstücken zur dadaistischen Collage, wobei, last not least, der Betrachter mit allen Sinnen aktiv gefordert ist. Denn die Elemente sind auf der Bedeutungs- und Assoziationsebene in ihren Bezügen zu entdecken, und es ist die spezifische Poesie dieser Objekte, daß es ihnen buchstäblich gelingt, über die subjektive Formulierung hinaus eine allgemeine Ansprache herzustellen.
"Blau" ist nicht nur eine Sehnsuchtsfarbe, sie ist im vorliegenden Werk "zufällig" (und sinnfällig) verbunden mit "Blume", so daß hier die deutsche Romantik mit der "Blauen Blume" hineinspielt wie auch natürlich Schwitters Dichtungen um seine Muse, die "Anna Blume" oder "Die Blume Anna", die Anfang der zwanziger Jahre geradezu "kultische" Verehrung genießt (Ernst Schwitters). Diese Bezüge sind durchaus nicht beliebig, denn Schitters koppelt sie mit einer anderen bekannten deutschen "Schutzmarke", die pharmazeutisch von jeglichen Kopfschmerzen befreit, mit Nährwerten (Kartoffelmarken), mit dem Genußmittel der "naturreinen Zigarette", mit "Mal-KAH" - dies scheint auf den Künstler selbst und sein Initial anzuspielen -, usf.
Künstlerisch ist auf jeden Fall "Name und Verpackung gesetzlich geschützt", wie Schwitters in einem seiner dadaistischen "Sturm"-Artikel in Bezug auf "Merz" und "Anna Blume" feststellt (vgl. Kurt Schwitters, Anna Blume und ich, Die gesammelten Anna Blume-Texte, Hrsg. Ernst Schwitters, Zürich/Hamburg 2004, S. 91).
Die hier angebotene Collage greift ein zentrales Herzstück seiner Kunst auf, und es sei erinnert, wie zeitlos sinnig-unsinnig die verehrende Anspielung ist, die in ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingestuft werden kann. Die "Merz"-Dichtung "Anna Blume", 1919 erschienen, mutiert 1922 in einer Zweitausgabe ins Internationale, zu "Eve Mafleur" und "Eve Blossom", wobei kaum auszumachen ist, in welcher Sprache Schwitters poetische Doppelbödigkeiten und Wortspiele am schönsten sind (vgl. op. cit. S. 97 ff. bzw. S. 105):
To Eve Blossom

"O, thou beloved of my twenty-seven senses, I love thine!
Thou thee thee thine, I thine, thou mine. - We?-
That belongs [by the way] not here.
Who art thou, uncounted woman?
Thou art - art thou? -
The people say thou werst.-
Let them say. They don't know how the churchtower stands."