Heinrich Maria Davringhausen - Selbstportrait mit Blume - image-1

Lot 715 Dα

Heinrich Maria Davringhausen - Selbstportrait mit Blume

Auktion 877 - Übersicht Köln
11.06.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 30.000 € - 35.000 €
Ergebnis: 90.440 € (inkl. Aufgeld)

Heinrich Maria Davringhausen

Selbstportrait mit Blume
1916

Öl auf Leinwand 200 x 80 cm

Das beeindruckende, lange verschollene Selbstbildnis des Künstlers entstand in seiner Berliner Zeit; gerade 21-jährig war Davringhausen 1915 von Aachen in die Hauptstadt umgezogen und fand offenbar rasch Anschluß an die künstlerisch wie intellektuell wichtigen Kreise, insbesondere an die politisch engagierte Linke der Kriegsgegner und revolutionär eingestellten Pazifisten. Er war aktiv und arbeitete wie u.a. Grosz, Mense, Theodor Däubler und Else Lasker-Schüler mit an der Zeitschrift "Die Neue Jugend". Grosz lernte er im Atelier von Meidner kennen, beide wurden enge Freunde und wirkten mit Wieland Herzfelde zusammen.
Das elegante Auftreten des Künstlers, wie es auch das Gemälde dokumentiert, stand dabei in nur scheinbarem Gegensatz zu den oppositionellen, gesellschaftskritischen Überzeugungen. Der Habitus des "Dandy" erscheint seit Baudelaire untrennbar mit der "Modernen" verknüpft und wird hier wirkungsvoll vorgeführt. Elsa Lasker-Schüler nannte ihn den "trojanischen jungen Priester" oder in Anspielung auf Oscar Wilde "Dorian Grey" und Sylvia von Harden erinnerte sich später, wie er "im Sturm die Herzen des - damals sehr anspruchsvollen - Berliner Publikums errang. Die schönsten Frauen Berlins überhäuften ihn mit ihrer Gunst. Sein eleganter Gang, seine große Sicherheit und seine männliche Schönheit waren mit ein Grund." (Zitiert nach Dorothea Eimert, Die Berliner Jahre, in: op.cit., Köln 1995, S. 40)
Stilistisch ist das Selbstporträt Zeugnis eines weiterentwickelten Expressionismus, der kubistische wie futuristische Tendenzen verarbeitet hat und auf die zwanziger Jahre vorausweist. Im Vergleich zu anderen Gemälden dieser Periode ist die Farbigkeit stark zurückgenommen, so daß formal die Überlänge der grauen Gestalt vor der zellenartig strukturierten Tiefenkulisse um so stärker inszeniert werden kann. Tektonisch-Statisches gerät in mystische Bewegung, von elementaren Kräften berührt, Kristallines verbindet sich mit Organischem. Es ist eine "Seelenlandschaft" oder eine expressiv gesteigerte "Weltlandschaft", vor der der Künstler steht. Die zarte Blüte, die er hält, mag dabei nicht nur ein Symbol für die spezifische Sensibilität des Künstlers sein, sondern ist, unmittelbar bezogen auf die Entstehungszeit des Gemäldes, Ausdruck der Fragilität menschlicher Existenz.

Werkverzeichnis

Eimert 94, S. 132 mit Farbtafel 28

Provenienz

Geschenk des Künstlers an den Vorbesitzer, seitdem in Familienbesitz

Literaturhinweise

Dorothea Eimert, Heinrich Maria Davringhausen, Monographie und Werkverzeichnis, Köln 1995, S. 50