Karl Hofer - Landschaft mit Baum (Giona) - image-1

Lot 760 Dα

Karl Hofer - Landschaft mit Baum (Giona)

Auktion 882 - Übersicht Köln
03.12.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 40.000 € - 42.000 €
Ergebnis: 73.780 € (inkl. Aufgeld)

Karl Hofer

Landschaft mit Baum (Giona)
Um 1926

Öl auf Leinwand 58,1 x 76,3 cm monogrammiert

Das schon früh publizierte Gemälde aus der Reihe der Tessiner Landschaften, Mitte der zwanziger Jahre entstanden - einer klassischen Periode des Künstlers mit großen und wesentlichen Erfolgen -, ist zweifellos eines der schönsten. Es gibt eine nahe Sicht auf die verschachtelten Kuben und Dächer des Dörfchens Giona mit seiner Kirche auf gemauerter Terrasse, hoch über dem Luganer See gelegen. Weniger die Berge oder die umgebende Natur sind hier das Thema, sie rahmen allenfalls das Sujet in Form- und Farbkontrasten behutsam ein, sondern die malerisch ausgekostete Darstellung der Stein- und Putzflächen mit ihren verwitterten Terracottafarben. Hofer charakterisiert sie nuancenreich, dabei wechseln die Helligkeitszonen und die Schatten in stetem Rhythmus gleichmäßig ab, so daß dem Auge unwillkürlich, bei aller wohltuenden Schlichtheit und Ruhe der dargestellten Dorfsilhouette, ein spannendes Moment der Entdeckung der Differenzen und Farbvaleurs bleibt. Die rötlichen Töne erfahren eine natürliche Belebung durch das Grün, das in seiner Stärke wiederum vom grauen Ton des Fond gemildert wird. Dieses Grau, zusammen mit dem ausgreifenden Geäst des kahlen Baumes im Vordergrund, schließt das Gemälde auf eigentümliche Weise formal ab und konzentriert den Blick auf die Entwicklung des eigentlichen Bildgegenstands.
Hofer hatte das Tessin nach dem 1. Weltkrieg kennengelernt und war seit 1925 immer wieder bis in die dreißiger Jahre hinein zurückgekehrt. Julius Meier-Graefe entdeckte in Hofer den Marées-Schüler und meinte 1922 treffend resümieren zu können:
"Entspricht dies Resultat den Vorstellungen, die wir uns von einem Geistesverwandten Marées' machen können? Die Frage wäre falsch gestellt, denn wir schließen an einem zufälligen Tag des Hoferschen Schaffens. Morgen ist er schon anderswo, sitzt wieder fest, oder wir sitzen fest, und übermorgen ist es wieder anders. Man wird den Sinn dieser ungewöhnlichen Anstrengung erst später durchschauen und dann vielleicht eine Entwicklung erkennen, die sich von Anfang an um dasselbe Problem bewegt, es von vielen Seiten aus angreift und sich kreisend der Höhe nähert. Heute schon könnte eingesehen werden, müßte begriffen werden, daß dieser Künstler, über den bei uns trotz seines umfangreichen Oeuvre noch immer keine Meinung besteht, in des Worts verwegendster Bedeutung unser Repräsentant ist. [...] Hofer kämpft um den Süden, das klassische Ziel germanischer Sehnsucht, und ihn bedroht die nicht weniger deutsche Gefahr, sich draußen zu verlieren. Es gehört heute Mut dazu und ein ungeheurer Optimismus, sich der Welt hinzugeben, die uns mit Peitschenhieben traktiert. Das Refugium, von dem aus Marées sein Universum gründete, wäre in der Gegenwart nur um den Preis eben der einfältigen Menschlichkeit zu gewinnen, mit der Marées seine einsame Abstraktion lebendig erhielt. Wiederum ist ein Weg zum Heldentum vernagelt. Das Rom eines Marées hat für uns kein Hesperien mehr. Zwischen umgestürzten Kisten und leeren Krügen suchen wir unser Glück. Gibt es noch Hesperiden? Solange ein Hofer da ist, wird man nicht aufhören, nach ihnen zu schweifen." (in: Ganymed, Jahrbuch für die Kunst, München 1922, zitiert nach: Ausst. Kat. Karl Hofer, Berlin 1978, S. 91)

Zertifikat

Mit einer Fotoexpertise von Detlev Rosenbach, Hannover, vom 11. November 1981

Provenienz

Galerie Rosenbach, Hannover; Rheinische Privatsammlung

Literaturhinweise

Die Horen, Jg. 4, 1927/1928, Heft 6, S. 527 mit Abb.