Ernst Ludwig Kirchner - Tanzende Akte - image-1

Lot 135 Dα

Ernst Ludwig Kirchner - Tanzende Akte

Auktion 1162 - Übersicht Köln
08.12.2020, 18:00 - Evening Sale - Moderne und Zeitgenössische Kunst
Schätzpreis: 80.000 € - 120.000 €

Ernst Ludwig Kirchner

Tanzende Akte
1914

Original-Lithographie auf gelbem Papier. 59,4 x 51 cm (65,9/66,9 x 56,2 cm). Unten links mit Bleistift signiert 'EL Kirchner', rechts wahrscheinlich von Erna Schilling bezeichnet "Handdruck". Eines von 7 Exemplaren in diesem Zustand (dieser Abzug im Werkverzeichnis erwähnt). - Vereinzelte kurze Randeinrisse; im Unterrand mit alter Knickspur. Das Papier im Passepartout-Ausschnitt minimal geblichen.

Kirchners faszinierende Lithographie „Tanzende Akte“ von 1914 liegt hier in einem Handabzug aus dem Besitz von Erich Heckel vor. Dieses Blatt zeichnet sich durch die relative Klarheit seiner großen Form, seiner Binnenzeichnung und durch die satten tonalen Kontraste aus. Individuelle Künstlerabzüge von Hand differieren häufig in Bezug auf die Verteilung und Dichte der Farbe, wie auch der Plattenton verschieden intensiv ausfallen kann. Kirchner kombinierte in diesem schwarz auf farbigem Papier abgezogenen Steindruck verschieden starke Abschattierungen, sowohl in den beiden Figuren - besonders in den Köpfen - wie im Fond, der in diesem Motiventwurf unbestimmt und von eher malerischer Wirkung ist. Überaus expressiv korrespondieren die hinterlegten homogenen schwarzen Flächen zum synchronen Bewegungsmoment der beiden Tänzerinnen. Durch die formale wie inhaltliche Konzentration entsteht ein spannungsvolles Moment, unterstrichen durch den gedrehten Wechsel der körperlichen Ansichten und die Intimität der ganz aufeinander bezogenen Blicke. Dies unterstreicht die isolierte Tanzbewegung, die sich in der schönen Gestik ganz zu verlieren scheint. Doch ist sie nicht Selbstzweck, sondern auch Vorwand und auf einen Betrachter gerichtet.
Die Lithographie lässt die wichtigen Themenkomplexe der Berliner Zeit anklingen: die Aktdarstellungen im Atelier, Gerda und Erna Schilling als die favorisierten neuen Modelle, das hingeworfene schnelle Skizzieren von Bewegung im Raum, das Erlebnis großstädtischen Nachtlebens. Die intensive künstlerische Übertragung von Erfahrungen kulminiert in dieser Zeit, um 1913/1914, in den berühmten „Berliner Straßenszenen“. Die auch hier betonte und zugespitzte Überlängung der Gestalten entspricht der neuen Stilisierung, wie auch kompositorisch die wirkungsmächtige Frontalität der Figuren verwandt erscheint. „Tanzende Akte“ von 1914 gewichten als lithographisches Meisterwerk die absolute Parallelität in den von Kirchner benutzten Ausdrucksmitteln.

Werkverzeichnis

Gercken 680 II; Dube L. 252

Zertifikat

Wir danken Günther Gercken, Lütjensee, für wissenschaftliche Beratung und ergänzende Auskunft.

Provenienz

Erich Heckel, Nachlass, Hemmenhofen

Literaturhinweise

Vgl. Magdalena M. Moeller (Hg.), Ernst Ludwig Kirchner in Berlin, Ausst. Kat. Brücke Museum Berlin, München 2008, insbesondere die Kapitel 4 ("Erna und Gerda Schilling"), 5 ("Varieté und Tanz"), 11 ("Modelle, Kokotten, Prostituierte"), 12 ("Ausbruch ins Paradies: Fehmarn") und 13 ("Die Straßenszenen") sowie Kat. Nr. 55 mit Farbtafel ("Tanzende Akte", Exemplar Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett)