Franz von Stuck - MARY IM VELAZQUEZ-KOSTÜM - image-1

Lot 1363 D

Franz von Stuck - MARY IM VELAZQUEZ-KOSTÜM

Auktion 947 - Übersicht Köln
21.11.2009, 00:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 38.000 € - 40.000 €
Ergebnis: 62.400 € (inkl. Aufgeld)

Franz von Stuck

MARY IM VELAZQUEZ-KOSTÜM

Öl auf Leinwand, auf Holz aufgezogen. 52 x 48 cm.
Mary - Kindermaskenfest 1908 - Franz von Stuck.

Auf dem Rahmen die Inschrift: FRANZ V. STUCK "MEINE TOCHTER IN VELAZQUEZ COSTÜM"

Niemanden hat Franz von Stuck so oft porträtiert wie seine Tochter Mary. Es heißt, der Künstler habe sie abgöttisch geliebt - den Sternenhimmel jenes Augusts 1895, in dem Stuck sie zeugte, verewigte der Künstler als Deckenfresko in seiner Münchener Villa. Mary war die Tochter Stucks aus einer Liaison mit der Bäckerin Anna Maria Brandmeier und wurde von ihm und seiner Frau mit Erlaubnis des Prinzregenten adoptiert. Stuck hat sie ab 1905 in unzähligen Bildnissen dargestellt, in bayerischer Tracht und als Tänzerin, als Spanierin und Griechin, als Torero und - wie auf unserem Gemälde - als Infantin aus einem Velazquez-Bildnis (Gross-Roath 1999, S. 99, 310).
Das Gemälde zeigt Mary im Alter von zwölf Jahren in einem Kostüm, das sie bei einem Kinderkostümfest im Jahr 1908 trug. Mary ist als Infantin verkleidet, die einem Velazquez-Gemälde entsprungen zu sein scheint. Sie trägt die charakteristische Haartracht des 17. Jahrhunderts und ein opulentes Hofkleid, in den Händen eine Rose und ein Tuch haltend. Stuck malte mindestens zwei Varianten dieses Bildnisses und verwendete es zudem in einem Familienbildnis von 1909, wo Mary im selben Kostüm im Bildzentrum zwischen Stuck und dessen Frau steht (vgl. Heinrich Voss: Franz von Stuck 1863-1928. Werkkatalog der Gemälde mit einer Einführung in seinen Symbolismus, München 1973, Nr. 330/595; 346/609).
Wie bei anderen Bildnissen hat Stuck auch hier eine Fotografie als Vorlage verwendet. Es haben sich zahlreiche Fotografien erhalten, die Mary im Velazquez-Kostüm zeigen, eine ganzfigurige Darstellung dürfte dabei als unmittelbare Vorlage zu unserem Gemälde gedient haben. Einige dieser Fotografien hat Stuck später zusammen mit der Reproduktion des gemalten Bildnisses in sein Fotoalbum geklebt (Ausst.-Kat. München 1996: Franz von Stuck und die Photographie. München 1996, S. 106-108).
Die zahlreichen gemalten und fotografischen Bildnisse von Mary waren sicherlich Ausdruck von Vaterliebe und Vaterstolz, sie wurden jedoch nicht allein für private Zwecke hergestellt. Sie dienten vielmehr auch der öffentlichen Selbstdarstellung des Malerfürsten Stuck und bedienten eine große Nachfrage nach Mary-Bildnissen auf dem Kunstmarkt. Stuck hat sie in unserem Gemälde, wie in anderen Bildnissen, idealisiert wiedergegeben, dies zeigt der Vergleich mit den Fotografien. Stuck schuf in seinen Bildnissen für seine Tochter Mary das Image des hübschen Kleinkindes - und konservierte es: So malte er noch in den 1920er Jahren Bildnisse seiner Tochter mit kleinkindlichen Zügen, als sie längst erwachsen und verheiratet war.
Ein Reiz unseres Bildnisses mag man darin sehen, dass Mary mit ihrer aparten Erscheinung einen vollkommenen Kontrast bildet zu den Infantinnen aus dem Hause Habsburg, die Diego Velazquez im 17. Jahrhundert Modell standen.

Provenienz

Westdeutsche Privatsammlung seit 1924 (in Buenos Aires, Argentinien, erworben).

Literaturhinweise

Claudia Gross-Roath: Das Frauenbild bei Franz von Stuck, Weimar 1999, S. 234, Nr. NB 11, Abb. S. 329.