Marianne von Werefkin - Mondscheinlandschaft - image-1

Lot 1097 Dα

Marianne von Werefkin - Mondscheinlandschaft

Auktion 950 - Übersicht Köln
05.12.2009, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 25.000 € - 30.000 €
Ergebnis: 22.500 € (inkl. Aufgeld)

Tempera, Aquarell, Bleistift und farbige Pastellkreiden auf leicht genarbtem Velin 27,5 x 37,3 cm, unter Glas gerahmt. Unten rechts mit schwarzer Tinte monogrammiert M.W.

"Marianna Vladimirowna Verevkina (eingedeutscht: Marianne von Werefkin) - Malerin, Schriftstellerin, faszinierende, polyglotte, äußerst gebildete Frau - wurde wie viele andere Künstlerinnen jahrelang von der Kritik vergessen und stellt sich heute als eine der bedeutendsten Stimmen ihrer Zeit heraus. [...] Dem Fortschritt und den Werten einer wissenschaftsorientierten Gesellschaft setzte die Malerin ihre eigene Kreativität entgegen, verkörpert in ihrem Motto 'j'aime les choses qui ne sont pas'. [...] Auf der verzweifelten Suche nach einer künstlerischen Sprache, die - von jeglichem mimetischen Bezug bereinigt - das Wesen ihrer Empfindung ausdrücken sollte, setzte sie sich [...] mit der Kultur ihrer Zeit auseinander und beschäftigte sich mit den verschiedenen Geisteswissenschaften, von der Philosophie über die Psychoanalyse bis hin zur Theosophie. [...] Diese Tendenzen fügen sich nahtlos ein in die Auseinandersetzungen der russischen und europäischen Symbolisten mit der bestürzenden Realität der Welt. Die Symbolisten waren - wie auch Werefkin - auf der Suche nach dem Unsagbaren und Unsichtbaren, als deren offenkundige Erscheinung sie das Unbewußte und die Gemütsbewegungen sahen, und strebten danach, nicht dem, 'was das Auge sieht', sondern dem, 'was die Seele spürt', Form zu geben." (Mara Folini, Marianne von Werefkin - Auf der Suche nach einer neuen Sprache, in: Ausst. Kat. Murnau 2002, op. cit., S. 42/43).

Die "Mondlandschaft" von Marianne von Werefkin ist im Anschluß an diese Ausführungen innerhalb der Kunstentwicklung des frühen 20. Jahrhunderts ein schönes wie bedeutend frühes Beispiel für die Radikalität der Stilwandlungen im Vorfeld der künstlerischen Erkenntnisse und Errungenschaften des "Blauen Reiters". Die Schlichtheit und märchenhafte Stille des romantischen Motivs in Kombination mit dem experimentellen Einsatz neuer Malmaterialien, die die koloristischen Eigenschaften der Farbe betonen und den Subtililtäten einer völlig veränderten Farbempfindung gerecht werden, sind ebenso bezeichnend wie die großzügige Flächigkeit und die fast primitivistische Sparsamkeit der Angaben. Die vertikale Leuchtspur der Mondspiegelung im Vordergrund des Blattes ist zudem entschieden ein Echo auf die Kunst Edvard Munchs; auch bei Werefkin ist sie von rätselhaftem verstörenden Ausdruck und scheint auf sehr moderne Weise mit alten Sentimentalitäten zu brechen. Das kühle Gelb durchschneidet die Dunkelheit der blau-grünen Komposition, unübersehbar und "jenseitig", wie eine Narbe.

Provenienz

Sammlung Till Neuburg, Mailand; Katrin Muzik, Paffhausen; Süddeutscher Privatbesitz

Literaturhinweise

Bernd Fäthke, Marianne Werefkin, Leben und Werk 1860-1938, München 1988, Abb. Tafel Nr. 8

Ausstellung

Wiesbaden 1980 (Museum Wiesbaden), Marianne Werefkin, Gemälde und Skizzen, Nr. 7 mit Abb. ("Mondscheinlandschaft über See, um 1907"); Ascona/München 1988 (Monte Verità, Museo Comunale d'Arte Moderna, Centro Culturale Beato Berno/ Villa Stuck), Marianne Werefkin und ihr Freundeskreis, Nr. 8 mit Abb.; Murnau 2002 (Schloßmuseum Murnau), Marianne von Werefkin in Murnau, Kunst und Theorie, Vorbilder und Künstlerfreunde, Kat. Nr. 25 mit Farbabb. S. 81; Ascona 2003 (Museo comunale d'arte moderna Ascona), Marianne Werefkin a Murnau, Arte e teoria, amici e maestri