Marianne von Werefkin - L'Ouvreuse - image-1

Lot 1099 D

Marianne von Werefkin - L'Ouvreuse

Auktion 950 - Übersicht Köln
05.12.2009, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 30.000 € - 35.000 €
Ergebnis: 67.200 € (inkl. Aufgeld)

Marianne von Werefkin

L'Ouvreuse
Um 1909

Aquarell, Pastellkreiden, Deckweiss und Tusche 41,1 x 46,5 cm

Marianne spielt mit den Farben Rußlands malen:
Grün, hellgrün, rosa, weiß!
Und namentlich Kobaltblau
sind ihre Spielgefährten.
Marianne von Werefkin -
Ich nannte sie den adeligen Straßenjungen.
Schelm der Russenstadt; im weiten Umkreis
jeden Streich gepachtet.

Else Lasker-Schüler, die sich in einem 1913 datierten Brief als "des blauen Reiterreiterin Freundin" nannte, feierte die Künstlerin in diesem Gedicht (zitiert nach: Ausst. Kat. Galleria Castelnuovo, Ascona, 1967), das nicht nur die Farben sondern auch den hintergründigen Humor der Künstlerin anerkennt. Die "Baronin", die in München bekanntlich einen Salon führte und sich für Musik, Literatur, Theater, Tanz und Variété begeisterte, schwelgt in der vorliegenden Arbeit nicht nur in den ihr so eigenen irrealen Farbtönen, sondern scheint in der Szenerie mit Foyer und Loge ihre Liebe zur ungeschönten Groteske zu verraten, die sie Toulouse-Lautrec verwandt macht. Werefkin nimmt offensichtlich das gesellschaftliche "Sehen und Gesehenwerden" und den feierlichen, luxuriösen Tand des Lüster- und Säulendekors mit großem Augenzwinkern aufs Korn, auch der Bildbetrachter scheint durch das Opernglas der linken Besucherin durchaus mit ins Visier genommen. Und durch diese Pracht läuft die alte, krumme und bebrillte Gestalt der "L'Ouvreuse", der "Platzanweiserin" und paßt so recht nicht hinein. Dies gibt der Szenerie eine lebenskritische wie melancholische Bedeutung, die in mancher französischen Vorlage des beliebten Logen-Motivs weniger betont erscheint, weil sie gar nicht thematisiert werden soll. Dass Werefkin Verwandtes bei den Nabis, bei Vuillard und Bonnard (z.B. "La Loge" von 1908), gesehen hat, wird im Formalen deutlich: der abstrahierten Aufteilung der Bildfläche in gegliederte Farbräume bzw. Farbflächen, die Dominanz der Farbwirkung, die in den komplimentären Kontrasten eine magische Leuchtkraft erzeugt.

Werkverzeichnis

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Provenienz

Trudi Neuburg-Coray, Galleria Castelnuovo, Ascona; Privatbesitz

Ausstellung

Zürich 1969 (Galerie Chichio Haller), Marianne von Werefkin 1860-1938, Kat. Nr. 4 mit Farbabb. ("um 1907"); Ascona 1972 (Galleria Castelnuovo), Marianne von Werefkin, Ölbilder, Gouachen, Aquarelle, Zeichnungen und Skizzen, Nr. 3 mit Abb. ("um 1907"); Murnau 2002 (Schloßmuseum Murnau), Marianne von Werefkin in Murnau, Kunst und Theorie, Vorbilder und Künstlerfreunde, Kat. Nr. 44 mit Farbabb. S. 96; Ascona 2003 (Museo comunale d'arte moderna Ascona), Marianne Werefkin a Murnau, Arte e teoria, amici e maestri