Max Liebermann - Die große Seestraße in Wannsee mit Spaziergängern - image-1

Lot 958 Dα

Max Liebermann - Die große Seestraße in Wannsee mit Spaziergängern

Auktion 950 - Übersicht Köln
05.12.2009, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 300.000 € - 340.000 €
Ergebnis: 396.000 € (inkl. Aufgeld)

Max Liebermann

Die große Seestraße in Wannsee mit Spaziergängern
1920 (?)

Öl auf Leinwand 60 x 73 cm

Die großstädtische Natur spielt im späteren Werk Max Liebermanns eine vorrangige Rolle, ob es sich um Sujets aus den Biergärten in Brannenburg, an der Havel oder am Wannsee, um Szenen aus dem Tiergarten oder um das Treiben auf den Straßen entlang des Großen Wannsees handelt. Immer geht es um die Darstellung des Lichts und wie es durch das Grün der Bäume gefiltert den (Farb)-Raum erleuchtet. Auch die vorliegende Straßenszene zeichnet sich durch eine rhythmisch komponierte Farbgebung aus, in der die Gelbtöne miteinander korrespondierend eine heitere sommerliche Atmosphäre evozieren und das Bildgeschehen beleben - köstliches Aperçu ist dabei die leuchtend rote Mütze eines kleinen Mädchens am linken Bildrand. "Die große Seestraße am Wannsee" bildet zusammen mit einem ähnlichen, unter Nr. 1920/14 von Matthias Eberle erfaßten Gemälde den Anfang einer Reihe von Variationen auf dieses Thema. Im Vergleich zu den in den nachfolgenden Jahren gemalten Seestraßenbildern fällt die angebotene Szene durch ihre unmittelbare Authentizität auf und durch den breiten lockeren Duktus, in dem sich die Farben erst im Pinsel mischen. Dahingegen wirken die später entstandenen Versionen dieses Motivs geschliffener durchkomponiert (vgl. z.B. Eberle 1924/42, 1924/43, 1925/29, 1926/35).
Ein Stilmittel auch zur erhöhten Betrachteransprache bildet als Repoussoir die wiederkehrende Figurengruppe um eine immer in Rückenansicht gegebene Frauengestalt mit kindlichen Assistenzfiguren in der vorderen rechten Bildhälfte, die so, wie Eberle bemerkt, vor 1920 keine Verwendung findet (Matthias Eberle, Liebermann. Werkverzeichnis der Gemälde und Ölstudien 1900-1935, München 1996, S. 1126). Wie um den Betrachter zum gemeinsamen Spaziergang aufzufordern, wendet sich der größere links gehende Junge um und blickt unverwandt zurück. Diese wiederkehrende Verwendung ähnlicher Details zeigt, daß Liebermann die Anregungen zu seinen Bildthemen zwar in seiner unmittelbaren Umgebung erhält, doch die Gemälde nicht zwingend vor der Natur entstehen.
"Die Phantasie ist die Fähigkeit des Künstlers, den Eindruck der Natur umzusetzen. Darauf hat er seine ganze Anstrengung hin auszurichten. Der Impressionismus hat ihm zu dieser Erkenntnis verholfen. Oder anders: Impressionismus ist für ihn die Erfüllung seiner zentralen künstlerischen Forderung, die Umsetzung des Natureindrucks durch die künstlerische Phantasie." (Thomas Gaethgens, Liebermann und der Impressionismus, in: Ausst. Kat. Max Liebermann. Jahrhundertwende, Berlin 1997, S. 152)

Werkverzeichnis

1920/15 mit ganzseitiger Farbabb. S. 1011

Provenienz

Vermutlich Bruno Cassirer, Berlin (um 1933); Privatbesitz Schweiz (1933); Galerie Benador, Bern (1934); M. Metzger, Bern (1934); Privatbesitz Rheinland; Privatbesitz Nordrhein-Westfalen

Literaturhinweise

Galerie und Sammler 9/10, Monatszeitschrift der Galerie Aktuaryus, Zürich, 1933, Abb. S. 158

Ausstellung

Zürich 1933 (Galerie Aktuaryus), Max Liebermann, Kat. Nr. 13 (dort als "Tiergartenallee" 1913 datiert)