Lovis Corinth - Der apokalyptische Reiter - image-1

Lot 402 D

Lovis Corinth - Der apokalyptische Reiter

Auktion 962 - Übersicht Köln
02.06.2010, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 20.000 € - 25.000 €
Ergebnis: 21.600 € (inkl. Aufgeld)

Lovis Corinth

Der apokalyptische Reiter
1924

Aquarell und Bleistift 31,4 x 24,9 cm

Das mit Vehemenz vorgetragene Aquarell entstand 1924, das heißt ein Jahr vor Corinths Tod. Seit 1919 wechselte er seinen Wohnort stets zwischen Berlin und Urfeld am Walchensee, das ihm angesichts der politischen und künstlerischen Entwicklung in der von ihm verachteten Weimarer Republik als Refugium diente. Corinth stand damals im Zenit seines Ruhmes. Bereits wenige Jahre zuvor war er zum Mitglied der Akademie der Künste ernannt worden, zudem hatte man ihm 1921 die Ehrendoktorwürde der Königsberger Albertus-Magnus-Universität verliehen. Zahlreiche Ausstellungen ehrten sein Werk, wie u.a. die große Retrospektive 1923 in der Berliner Nationalgalerie.
Lovis Corinth war in seinem letzten Lebensabschnitt künstlerisch äußerst produktiv. Das neutestamentarische Thema der Offenbahrung des Johannes, bzw. der darin vorkommenden Apokalyptischen Reiter ist in der Kunst unzählige Male behandelt worden. Von Corinth ist kein weiteres Gemälde diesen Themas bekannt. Es ist zu vermuten, dass der Künstler hier den vierten apokalyptischen Reiter darstellen wollte, der in wildem Galopp über die Erde hinwegfegt. Das fahle, blasse Pferd symbolisiert Furcht, Krankheit, Niedergang und Tod, wodurch das Aquarell einen geradezu visionären Charakter erhält. Charakteristisch für den Spätstil ist der fast gestisch gesetzte, diagonal geführte Strich. Die betonte Schräglage dieser dramatischen Komposition ist auch auf den Gemälden der Zeit zu finden, dabei gelingt Corinth die Balance zwischen selbstzerstörerischer Formauflösung und gekonnter Formfindung. Das Dargestellte kann als unmittelbarer Ausdruck oder Aufschrei, als existentielle Erfahrung interpretiert werden. Die Anbindung an ein Thema, das ihn inspiriert hat, dient hier als Vorwand für einen neuen, dramatischen Duktus einer beinahe autonomen Malerei zwischen Figuration und Abstraktion.

Provenienz

Nachlaß Anna Maria Wingler, Frankfurt