Conrad Felixmüller - Kornpuppen - image-1

Lot 427 D

Conrad Felixmüller - Kornpuppen

Auktion 962 - Übersicht Köln
02.06.2010, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 130.000 € - 150.000 €
Ergebnis: 144.000 € (inkl. Aufgeld)

Conrad Felixmüller

Kornpuppen
1922

Öl auf Leinwand 75,5 x 86 cm

"Kornpuppen" stammt aus den Jahren, in denen Felixmüllers expressionistischer Stil seinen Zenit erreichte. Die junge Künstlerfamilie lebte in Klotzsche, dessen ländliche Umgebung, Wald und Felder, nach eigener Äußerung, seine "Mallust" ungemein förderten:
"Ich konnte mich in den Schwung der Formen nicht genug hinein-empfinden. Die Farbigkeit steigerte sich selbständig mit - ich wollte die Intensität der Formen und die Tiefe der Farben zu höchstem Ausdruck bringen; noch ganz in dem Kampf um 'Ausdruck', wie sich mein Stil damals entwickelte. Dabei zeichnete ich viel; bei jeder Gelegenheit die Kinder, Gesichter und Hände; ich konnte sie 'auswendig'. Ich selbst konnte mich nicht anders geben als ich damals war: zwischen himmlischer Glückseligkeit, aber im täglichen Kampf während der Nachkriegsnöte und Inflationsverarmung: voller Angst um das Morgen! So steckte das Leben dieser Tage voll innerer und äußerer Schönheit, Freude und Kampfesmut, wahr und verklärt durch die künstlerische Leidenschaft des künstlerischen Dranges jener 'expressionistisch' genannten Epoche der frühen Zwanziger Jahre." (Zitiert nach: G.H. Herzog (Hg.), Conrad Felixmüller. Legenden 1912-1976, Tübingen 1977, S. 60).
Das reine Landschaftsmotiv setzt sich ab von Felixmüllers einprägsamen Porträts und figuralen Kompositionen dieser Jahre, es hat motivisch wenig zu tun mit seinen gesellschaftskritischen Stadtlandschaften und Industriebildern. Aber es ordnet sich stilistisch ihnen unverkennbar ein durch die gewählte Nahansichtigkeit, das Unvermittelte der steilen Perspektive und nicht zuletzt durch die starken Farben und einen heftigen Malduktus, dessen gewaltige Pinselzüge holzschnittartig parallel gesetzt werden. Die Furiosität bleibt dabei durchaus kontrolliert durch eine reiche malerische Differenzierung der Farbtöne, die wunderbar ausgemalt und ausgestrichen werden. Dieses Schwelgen in den Kontrasten von Gelb, Gelborange und Violett, Grün und tiefem Blau ist typisch für Felixmüllers Farbpalette und mildert bei dem Bildbetrachter den fast unvermittelten, optischen "Überfall". Ein Dreierrhythmus staffelt in die Tiefe: rechts angeschnitten die steil aufgestellten Garben mit dem liegenden Rechen davor, links eine große Kornpuppe und nach hinten in die Mitte versetzt eine kleinere. Dazwischen ein starkes Violett, das zum Horizont in ein sattes Weinrot dunkelt und darüber ein tiefes Blau. Ein hell gerundeter ornamentaler Wolkenbogen am Firmament ist ein schwebendes Gleichgewicht gegen die Vertikale, gegen die drängenden, das Bildformat fast sprengenden Formen. Das Kornfeld, das seit Vincent von Gogh zum Ausdruck eines delirischen Seelenzustandes werden konnte, findet hier im Erntebild Felixmüllers sein spätes Pendant.

Werkverzeichnis

290 T, Felixmüller

Provenienz

Ehemals Sammlung Walter Ruck, Heilbronn; Privatbesitz Süddeutschland; Privatbesitz Norddeutschland

Ausstellung

Reutlingen 1991/1992 (o. Kat.)