Lot 599 Dα

Zu diesem Kleinod, das zu den frühesten bekannten Werken von Lesser Ury zählt, schreibt Sibylle Groß in ihrem beiliegenden Gutachten:
"Das kleinformatige Gemälde entstand 1881, nachdem Lesser Ury ein Jahr zuvor als Schüler den Unterricht an der Königlichen Kunstakademie zu Düsseldorf vorzeitig aufgegeben hatte. Spätestens seit 1881 lebte und arbeitete Lesser Ury als Maler in Brüssel, wo er sich im Herbst 1882 an der Académie Royale des Beaux-Arts einschrieb. Ury nahm nur wenige Monate am Elementarunterricht des ersten Studienjahres teil, in dem nach dem lebenden Modell gemalt wurde. 1881 hielt er sich zeitweise zudem in Paris auf, schrieb sich an der privaten Akademie Julien ein, wo gleichfalls das Zeichnen nach einem lebenden Modell den Schwerpunkt des Unterrichts bildete.
Der Einfluß der französischen Malerei lässt vermuten, dass Lesser Ury das Bild wohl während seines Pariser Aufenthaltes schuf. Als eines seiner Vorbilder sei das [...] Gemälde "La Source" (Die Quelle) von Gustave Courbet (1819-1877) aus dem Jahre 1868 angeführt [heute im Musée d'Orsay, Paris]. Courbet wandte sich vom allegorischen Akademismus, der diesem Thema gewöhnlich vorbehalten war, ab und versetzte den Akt, der noch die Spuren des Korsetts trägt, in eine ihm vertraute Landschaft.
Auf der Rückseite des Gemäldes von Lesser Ury ist auf einem beschädigten Etikett der Nachweis zu lesen, dass das Bild bei "Gerstenberger" in Chemnitz in einer Ausstellung zu sehen war. Die Recherchen zur Ausstellungsgeschichte dieser Kunsthandlung konnten leider nicht mit Sicherheit ermitteln, um welche Ausstellung es sich hierbei konkret gehandelt haben könnte. Die Chemnitzer Kunsthandlung Gerstenberger zeigte spätestens seit den 1920er Jahren mehrmals Werke von Lesser Ury in ihren Räumen "Am Rossmarkt 11". Im Februar 1932 bemühte sich die Kunsthandlung sogar, allerdings vergeblich, um die Übernahme der Gedenkausstellung für Lesser Ury, die Ende 1931 von der Nationalgalerie in Berlin ausgerichtet worden war."