Öl auf starkem strukturierten Karton 55,1 x 34,1 cm, gerahmt. Unten links violett signiert und datiert A. Jawlensky 37. - Rückseitig auf dem schwarz grundierten Karton verschiedentlich beschriftet und betitelt, u.a.: vermutlich von Lisa Kümmel beziffert "N. 35" sowie mittig datiert "1937", darunter von fremder Hand mit roter Kreide betitelt "Dunkelrote Blume(n) auf Blau" und in weiß von Andreas Jawlensky zweifach bezeichnet "Bouquet à l'heure bleue"; oben links mit einem runden Schweizer Zollstempel versehen. - Stellenweise mit kleinen alten Retuschen; fachmännisch gereinigt und restauriert. Ober- und Unterrand alt beschnitten.
M. Jawlensky/ Pieroni-Jawlensky/ A. Jawlensky 2222
Das von der Galerie Grosshennig 1960 aus dem Nachlaß erworbene und noch im gleichen Jahr in die Privatsammlung vermittlete grosse Blumenstück ist rückseitig betitelt "Dunkelrote Blume auf Blau", darunter "Bouquet à l'heure bleue" - "Bouquet in blauer Stunde". Diese letzte Bezeichnung trifft besonders schön den poetischen Stimmungsgehalt der Komposition, die ganz im Blau und Rotviolett der subtil schattierten Farbtöne aufzugehen scheint, nur wenige helle Lichter kontrastieren.
Zu abendlicher Stunde, nach Sonnenuntergang kurz vor dem Einfall der Nacht, lässt sich bekanntermaßen beobachten, wie die Dinge und die sie konstituierenden Farben und Formen sich verändern, Umrisse und Plastizität verschwimmen. Die Atmosphäre ist faktisch gesättigt von dem Widerschein des Firmaments, der "Bläue" heraufziehender Dunkelheit, aber gerade in diesem kurzen Moment entfalten Blüten noch einmal den letzten Zauber ihres Duftes und entwickeln eine sehr eigentümliche, schwer zu beschreibende unwirkliche Leuchtkraft. Dieses Phänomen scheint man bei dem vorliegenden Blumenbouquet Jawlenskys umgesetzt zu finden.
Jawlenskys expressionistisches Werk folgt dennoch nicht einer naturalistischen Impression, sondern unterliegt ihren eigenen formalen Gesetzmäßigkeiten. In seinem künstlerischen "Paralleluniversum" gibt es Analogien, Erinnerungen, Evokationen, Emotionen. "Bouquet à l'heure bleue" ist eines der letzten Beispiele seiner Kunst, die unter unsäglichen Lebensmühen in den Wiesbadener Jahren zu letzter Meisterschaft gereift war. 1937 war krankheitsbedingt das letzte Jahr, in dem Jawlensky malte.
1936 schrieb er in einem an das Ehepaar Nolde gerichteten Brief:
"Es ist nichts zu machen, mein Leben ist schwer, ich muss nur es nicht schwerer nehmen. Ich lebe die ganze Zeit nur in meinem Zimmer, komme nirgends hin, kann nicht gehen, sitze vor der Staffelei, die Palette auf den Knien, Pinsel haltend mit zwei Händen und arbeite, arbeite mit brennendem Gefühl diese kleine Bildchen und auch etwas grössere, ich meditiere, es ist wie mein Gebet." (Wiesbaden am 6. VI. 36, zitiert in: Armin Zweite (Hg.), Alexej Jawlensky, Ausst. Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1983, S. 116).
Lot 29 der Abendauktion am 3. Dez. 2010, 19 Uhr
Werkverzeichnis
2222 M. Jawlensky/ Pieroni-Jawlensky/ A. Jawlensky
Zertifikat
Wir danken dem Jawlensky Archiv, Locarno, für ergänzende, bestätigende Hinweise und Informationen; das Gemälde ist im Archiv dokumentiert.
Provenienz
Aus dem Nachlass des Künstlers, Privatbesitz Locarno (Andreas Jawlensky); Galerie Grosshennig, Düsseldorf (1960 direkt aus dem Nachlaß erworben); Rheinische Privatsammlung (seit 1960)
Literaturhinweise
Clemens Weiler, Alexej Jawlensky, Köln 1959, Nr. 781 mit Abb. S. 283 ("Dunkelrote Blume") bzw. Nr. 789 o. Abb. ("Bouquet à l'heure bleue") (lt. Nachlaßdokumentationen identisch)
Ausstellung
Düsseldorf 1956 (Galerie Vömel), Oelbilder von Alexej von Jawlensky, Nr. 33 ("Bouquet à l'heure bleue"); Köln 1958 (Galerie Aenne Abels), Alexej von Jawlensky, Nr. 59 ("Bouquet à l'heure bleue"); Berlin 1958 (Haus am Waldsee), Alexej von Jawlensky, Nr. 96 (Leihgeberin Galerie Aenne Abels); München 1959 (Städtische Galerie), Alexej von Jawlensky, Nr. 69 (Leihgeberin Galerie Aenne Abels)