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Lot 265 Dα

Arthur Segal - Straße auf Helgoland I

Auktion 979 - Übersicht Köln
31.05.2011, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 100.000 € - 120.000 €
Ergebnis: 205.700 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf grober, weiss grundierter Leinwand 50 x 60 cm, im bemalten Original-Holzrahmen (Gesamtmaß 65 x 75,1 cm). Auf der Leinwand unten mittig schwarz signiert A. Segal und rechts datiert 1924. Rückseitig auf der Leinwand gross mit blauer Farbe bezeichnet "W." [quer geschrieben]. - Rückseitig auf den Rahmenleisten u.a. mit mehreren alten Aufklebern, kleinen Zollstempeln und handschriftlichen Eigentumsvermerken versehen. - In einem ursprünglichen, unberührten Zustand. Die Leinwand leicht gewölbt, altersbedingt stellenweise mit geringfügigen kleinen Fehlstellen und Farbverlusten.

Herzogenrath/Liška 289

Ein kurzer Aufenthalt auf Helgoland im Sommer 1923 begründet die gleichnamige Folge von Gemälden Arthur Segals, die zu seinen wichtigsten zählen, sie sind heute fast alle in Museumsbesitz (u.a. Berlinische Galerie, Haags Gemeente Museum Den Haag, Metropolitan Museum of Art New York).
"Strasse auf Helgoland I" zeichnet sich durch seine Konzentration und formale Dichte aus. Der bemalte Holzrahmen ist schlicht gezimmert und nach innen leicht abgefast, so daß sich in der tonalen wie strukturellen Fortführung der Malerei ein feiner optischer Versprung zwischen Leinwand ("Zentrum") und Rahmen ("Peripherie") ergibt (J. Heusinger von Waldegg, vgl. "Entgrenzung - Bild und Rahmen bei Arthur Segal", in: op. cit. Berlin 1987, S. 145 ff.). Bei zurückhaltender Farbigkeit sind die Kontraste von Hell und Dunkel in Segals geometrischem Rastersystem von grosser Ausdrucksstärke. Bei dem vorliegenden Bild ergibt sich insbesondere eine sehr spannende Verschränkung von (noch gegenständlichem) Motiv und abstrakter Komposition, von Flächenbetonung und Raumgefühl, von fester Ordnung und Aufbruch des Systems, wobei der Rahmengestaltung eine vermittelnde Rolle zufällt.
"Die Regelmäßigkeit des Rhythmus, wie auch die Einbeziehung des Rahmens machen diese Arbeiten vergleichbar mit Delaunay. Im Gegensatz zu letzterem lag Segal jedoch neben Farbrelationen vor allem an dem geordneten Verhältnis von hellen und dunklen Farbflächen. Dieser rhythmischen Gliederung waren die Gegenstände untergeordnet und so in sie eingebunden, daß, im Sinne seiner Vorstellung von 'Gleichwertigkeit' [...] kein Einzelobjekt im Vergleich zu einem anderen hervorgehoben wurde." (Beatrice von Bismarck, in: Peter-Klaus Schuster (Hg.), Delaunay und Deutschland, Köln 1986, S. 464).
Bedeutend für den künstlerischen Stellenwert des hier angebotenen Gemäldes von Arthur Segal und für seine zeithistorischen Bezüge ist nicht zuletzt die Sammlung, aus der das Gemälde stammt.
Dr. Julius Wissinger (1884-1967) und seine Frau Helene pflegten im Berlin der 1920er Jahre einen kleinen Kreis von Künstlern, denen sie freundschaftlich wie mäzenatisch verbunden waren. Besonders die Beziehung zu Otto Freundlich ist bekannt. Die Gestaltung des Erbbegräbnisses Wissinger in Stahnsdorf, als expressionistische Grabmalsarchitektur von Max Taut 1921 entworfen, hat - mit Freundlichs Betonskulptur als Auftragswerk - in jener revolutionären Zeit Kunstgeschichte geschrieben. Freundlichs Bodenplastik (die Grabplatte des 1920 verstorbenen Gründervaters der Wissinger-Dynastie, Hermann Otto J. Wissinger) wurde noch im Jahr der Fertigstellung 1923 zerstört (s. Fotodokument; vgl. Christoph Fischer/Volker Welter, Frühlicht in Beton, Das Erbbegräbnis Wissinger von Max Taut und Otto Freundlich in Stahnsdorft, Berlin 1989 sowie Joachim Heusinger von Waldegg, Hermann Obrist, Otto Freundlich und die architektonische Skulptur, Vom Körper zum Raum, in: Von Rodin bis Giacometti, Plastik der Moderne, Ausst. Kat. Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, Heidelberg 2009, S. 45 ff.). Julius Wissinger erteilte Otto Freundlich auch seinen ersten Auftrag zu einer Glasmalerei, 1922 ausgeführt für das Arbeitszimmer in der Villa Karolinenhof (Heusinger von Waldegg WVZ Nr. 9, auch dieses heute verschollen).
In dieser Konstellation der frühen zwanziger Jahre, in denen neue künstlerische Konzepte auf akute gesellschaftliche Umwälzungen trafen, sind Otto Freundlich und Arthur Segal - beide wie auch der Architekt Max Taut ursprünglich Mitglieder der Novembergruppe -, jeder auf seinem eigenen Weg in die Abstraktion.

Werkverzeichnis

Herzogenrath/Liska 289

Provenienz

Geschenk des Künstlers an Dr. Julius Wissinger, Berlin; ehemals Dr. Detlef Wissinger, Lüneburg, Familienbesitz

Literaturhinweise

Helga Kliemann, Die Novembergruppe, (Bildende Kunst in Berlin Bd. 3), Berlin 1969, vgl. S. 129, mit Abb. Nr. 16 (dat. "1920"); Wulf Herzogenrath/ Pavel Liška, Arthur Segal 1875-1944, Ausst. Kat. Retrospektive, Köln/ Berlin/ Regensburg/ Ascona/ Tel Aviv, Berlin 1987, S. 47; vgl. Joachim Heusinger von Waldegg, Entgrenzung - Bild und Rahmen bei Arthur Segal, in: Ausst. Kat. Arthur Segal, Retrospektive, op. cit., Berlin 1987, S. 145 ff.; vgl. Volker Welter, Künstler- und Freundeskreis der Familie Wissinger, in: Christoph Fischer mit Volker Welter (Hg.), Frühlicht in Beton, Das Erbbegräbnis Wissinger von Max Taut und Otto Freundlich in Stahnsdorf, Berlin 1989, S. 72 ff. und S.38

Ausstellung

Berlin 1960 (Nationalgalerie Berlin), Berlin - Ort der Freiheit für die Kunst, Kat. Nr. 91 mit Abb. (dat. "1920"); Lausanne 1968/1969 (org. durch Deutsche Gesellschaft für bild. Kunst, Kunstverein Berlin), Berlin XXe siècle, Kat. Nr. 94 (dat. "1920"); Köln/ Berlin/ Regensburg/ Ascona/ Tel Aviv 1987/ 1988 (Kölnischer Kunstverein/ Haus am Waldsee Berlin/ Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg/ Museo Comunale d'Arte Moderna Ascona/ The Tel Aviv Museum), Arthur Segal 1875 - 1944, Retrospektive, Kat. Nr. 289 mit ganzseitiger Farbabb. Tafel 33 S. 209