Graphitzeichnung mit Tuschfeder, teils laviert und gewischt, auf festem chamoisfarbenen Zeichenpapier mit Prägung "J. Khemi. Dresden" 57,7 x 49,3 cm, unter Glas gerahmt. Unten rechts signiert DIX. - Rückseitig von fremder Hand Kohlezeichnung eines liegenden Knabenaktes (Querformat). - Mit Alters- und Atelierspuren; die Blattränder unregelmässig geschnitten mit Knitterungen; leicht stockfleckig.
Lorenz Bd. II, EDV 1.3.5
Zur bisher unentdeckt gebliebenen Zeichnung der Rückseite führte die Werkverzeichnisbearbeiterin nach Vorlage des Originals aus: "Es handelt sich ganz offensichtlich [...] nicht um ein Frühwerk von Dix aus der Zeit bis 1910, sondern eher um eine akademische Schulzeichnung um 1919 von fremder Hand. Der schöne Büttenkarton (Prägestempel) ist Dix vermutlich aus der Dresdner Akademie in die Hände gefallen, wo er 1919 als Meisterschüler von Max Feldbauer und Otto Gußmann wieder immatrikuliert war, er hat ihn für seine robuste Skizze gut verwenden können." (Ulrike Lorenz)
Zur Entstehungszeit in Dresden und zum bemerkenswerten Stil dieser Werkphase, in der auch der "Bierkutscher" entstand, führte Lorenz allgemein aus:
"In einer spektakulären Übergangsphase nach dem Ersten Weltkrieg rückt Dix zunächst in Dresden, seit Herbst 1922 in Düsseldorf als Enfant terrible in die nationale Kunstszene und an die Spitze der aktuellen Kunstströmungen auf. [...] Die Zeichnung wird zum Fundament des Werkes. [...] Der Ausdrucksreichtum seiner Bleistiftlineatur im Spektrum zwischen spontaner Ideenskizze und autonomer Bildkomposition spannt sich von expressiver Konturruppigkeit bis zum naturalistischen Schraffurgespinst. Hier zeigt sich ein eklatanter Unterschied zum Werk in Öl und zur Druckgraphik: Allein im souveränen Blick des Zeichners verbindet sich unerbittlicher Feststellungswille mit emotionaler Anteilnahme - ganz ohne Ideologie." (Ulrike Lorenz, EDV Expressionismus - Dadaismus - Verismus 1919-1923, in: Otto Dix, Das Werkverzeichnis der Zeichnungen und Pastelle, Weimar 2002, S. 38 bzw. dies., Stil-Attitüden: Veristische Grotesken 1919-1921, in: op. cit. Bd. II, S. 495 u. 515)
Werkverzeichnis
Lorenz Bd. II, EDV 1.3.5
Zertifikat
Wir danken Ulrike Lorenz, Mannheim, für freundiche Auskünfte nach Begutachtung.
Provenienz
Galerie Nierendorf, Berlin (1966); Privatbesitz Italien
Literaturhinweise
Brigid S. Barton, Otto Dix and Die neue Sachlichkeit 1918-1925, Ann Arbor (Michigan) 1981 (Diss. 1977), II.C.6.
Ausstellung
Berlin 1966 (Galerie Nierendorf), Otto Dix, Kunstblätter der Galerie Nierendorf (mit Texten von Fritz Löffler u. Hans Kinkel), Kat. Nr. 67 mit Abb.