Frans Masereel - Les Toits pointus - image-1

Lot 400 R

Frans Masereel - Les Toits pointus

Auktion 979 - Übersicht Köln
31.05.2011, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 10.000 € - 15.000 €
Ergebnis: 16.940 € (inkl. Aufgeld)

Öl auf Leinwand 60 x 73 cm, gerahmt. Unten rechts schwarz monogrammiert FM und in die noch feuchte Farbe datiert 1928. Rückseitig auf der Leinwand zusätzlich signiert und datiert Frans Masereel [unterstrichen] 1928. - Rückseitig auf dem Keilrahmen mit dem alten Etikett der Galerie Billiet & Co., Pierre Vorms, Paris.

Vorms, Peintures à l'huile 131

Schon in der "Passion Moderne" von 1919 - einer Folge von Pinselzeichnungen - versetzt Masereel die Leidensgeschichte Christi in ein großstädtisches Ambiente, dessen bestimmendes Element ein wahrhaftes Getümmel von abweisend wirkenden wie schwarz durchlöcherten Häuserfassenden ist (vgl. Paul Ritter, Die frühen Holzschnitte, Darmstadt 1983, Abb. S. 125 ff.) Sind dort die Straßen noch überschwemmt von Menschenmassen, steht in den späteren Gemälden und Papierarbeiten auch das in der Großstadt vereinsamte Individuum im Vordergrund. Masereels Herz schlägt für die sozial Schwachen, die Benachteiligten in einer turbokapitalistischen, sich im mondänen Rhythmus schwarzer Jazzmusik verausgabenden Gesellschaft der Kriegsgewinnler und Nachtclubbesitzer.
Unsere nächtliche Stadtszene ist beinahe menschenleer; eine dramtische Lichtführung der "Toits pointus" unter dunkel dräuenden Wolken ist ihr eigen. Punktuell sind einzelne Straßenschluchten in geheimnisvolles Licht getaucht, vor dem sich vereinzelt Häuser umrißhaft verschattet abzeichnen - beinahe wie funkelnde, kostbar gewachsene Kristalle. Eine kleine Figur schreitet energischen Schrittes aus und führt das Betrachterauge gleich einem Repoussoir in die spannungsgeladene Szenerie, die beinahe an Settings zeitgenössischer Stummfilme erinnert. Kaum verwunderlich, denn Masereel arbeitete nicht nur zahllose Holzschnitte und illustrierte Publikationen u.a. für den befreundeten expressionistischen Autor Carl Sternheim, sondern er entwickelte auch Bühnenbilder und arbeitete an Filmen mit (vgl. Pierre Vorms, Masereel. Cat. Rais., Antwerpen 1976, S. 108, f.). Der Kauf eines Fischerhauses in Boulogne-sur-Mer initiiert bei Masereel eine stärkere Zuwendung zur Malerei. "Vor allem malte er auch Menschen: Fischer und deren Frauen und Töchter, in ihren Katen und auf dem Feld, im Hafen und in der Einsamkeit ihres Landes. Er monumentalisiert die Gestalten, stellt kompakt aufgetragene Farben und straffe Formgebung auf Hell-Dunkel-Kontraste ab. [...] Aus einer reichen Bilderernte brachte Masereel Gemälde in seine Ausstellung in der Pariser Galerie Billiet im Mai 1928 ein." (Wilhelm Weber, "Weil ich da ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten fühle". Zum malerischen Werk von Frans Masereel, in: Karl-Ludwig Hofmann/Peter Riede (Hg.), Frans Masereel. Zur Verwirklichung des Traumes von einer freien Gesellschaft, Saarbrücken 1989, S. 129 f.)
Das ein Jahr vor unseren "Toits pointus" entstandene Gemälde "Paysage parisien", welches dasselbe Thema in sehr ähnlicher Umsetzung zeigt, befindet sich heute im Stedelijk Museum Amsterdam (vgl. Abb. Pl. XLII bei Durtain 1931, op.cit.; Vorms 1976, op.cit., Abb. auf dem Umschlag).

Werkverzeichnis

131 Vorms Peintures

Provenienz

Galerie Joseph Billiet, Pierre Vorms, Paris; Sammlung Frederick Wose, New York; seitdem Familienbesitz

Literaturhinweise

Luc Durtain, Frans Masereel, Paris 1931, S. 79, ganzseitige Abb. Pl. LIII

Ausstellung

Paris 1928 (Galerie Billiet, Pierre Vorms), Frans Masereel; Brüssel 1928 (Galerie Thémis), Frans Masereel, Nr. 17