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Lot 240 D

Pablo Picasso - Tanagra

Auktion 990 - Übersicht Köln
02.12.2011, 00:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 150.000 € - 200.000 €
Ergebnis: 181.500 € (inkl. Aufgeld)

Terracottaplastik. Höhe 18 cm. Unter der Standfläche mit schwarzem Pinsel bezeichnet 19.1.51.

Obschon die Plastik "Tanagra" aus dem Besitz Jacqueline Picassos, seiner letzten Frau, bereits 1951 unmittelbar nach ihrer Entstehung in der Revue Verve publiziert war, ist sie ebensowenig wie auch die anderen dort gezeigten Figurinen nicht bei Spies enthalten (siehe Vergleichsabbildung). Odysseus Elytis schrieb hier über den Künstler: „Il n'avait jamais cherché la Grèce, mais la Grèce l'a trouvé“ (Odysseus Elytis: Équivalences chez Picasso, in: Verve 1951, op.cit. o.S.). Diese Ausgabe der Verve war ausschließlich den Bildern, Skulpturen und Keramiken gewidmet, die Picasso zwischen 1949 und 1951 in Vallauris realisiert hatte, so auch unsere „Tanagra“ betitelte Figurine. Tanagra war im antiken Griechenland die Hauptstadt der Provinz Böotien. Im Jahre 1874 wurde hier eine Vielzahl herrlicher Terakotta-Statuetten, deren Ursprünge bis in das 5. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, gefunden. Besonders im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hat der sensationelle Fund immer wieder Maler und Dichter inspiriert, die Schönheit dieser polychromen Figuren zu preisen. Die stets kleinformatigen Terrakotten stellen ausnahmslos vornehm gewandete, dem Idealbild entsprechende Frauen dar. Ursprünglich waren sie als Grabbeigaben gedacht, dienten aber auch den aristokratischen Damen Athens als Talismane. Welches Modell Picasso bei unserer Figurine inspiriert hat, ist heute nicht eindeutig zu klären, war er doch 1951 noch mit Françoise Gilot verheiratet. Laut einschlägiger Literatur soll er seiner späteren Frau Jacqueline Roque erst 1953 begegnet sein. Ein Umstand, der nicht nur wegen einer gewissen Ähnlichkeit verwundert, sondern auch weil Picasso bereits 1946 in dem provenzalischen Töpferstädtchen Vallauris das Keramikerpaar Georges und Suzanne Ramié kennengelernt hatte. Ihnen gehörte die Werkstatt „Madoura“, wo Picasso unmittelbar begonnen haben soll, auf spielerische Weise kleine Tonfiguren zu formen, die das Paar später ohne sein Wissen brannte. Als Picasso seine Statuetten später wiedersah, soll er überaus begeistert gewesen sein. So kann diese Begegnung rückblickend als Beginn seines reichen keramischen Schaffens gesehen werden. Ebenfalls arbeitete in der Werkstatt Jaçqueline Roque, eine Cousine von Madame Ramié. Seit Oktober 1947 bewohnte Picasso gemeinsam mit seiner Frau Françoise die ‚Villa Galloise' nahe Vallauris. Hier, bzw. in der ‚Poterie Madoura' begann eine Zeit fruchtbarer Zusammenarbeit mit dem Ehepaar Ramié. Das keramische Schaffen bot Picasso neue Ausdrucksmöglichkeiten, nicht nur bezüglich der gelungenen Verbindung von Malerei und Plastik, sondern auch wegen der gewissermaßen antithetischen Kombination von rohem keramischen Material und feinem fragilen Endergebnis. Durch plastisches Formen mit den Fingern schuf Picasso eine bewegte, von Leben erfüllte Oberfläche. Dabei brachte das gemusterte Gewand einen zusätzlichen pittoresken Zug. Eine Hauptansichtsseite ist nicht wirklich auszumachen. Die Statuette wirkt trotz oder gerade wegen ihrer kleinen Dimension von allen Seiten vollkommen. Picassos Vorliebe für matte, erdige Töne spricht dafür, dass es ihm vermutlich gefiel, diese großartige Tradition der Antike wiederzubeleben, bzw. ihr zu einer kühnen Erneuerung zu verhelfen. Die Keramik nimmt in Picassos künstlerischem Gesamtwerk einen bedeutenden Platz ein. „Tanagra“ verkörpert wegen der verschränkten Arme und geschlossenen Augen atmendes, sinnliches Leben und zugleich ruhiges, spirituelles Dasein. Den Titel trägt sie wegen des Ausdrucks einer 'vita contemplativa' in unseren Augen zu Recht.

Provenienz

Galerie Madoura, Vallauris; Nachlaß Picasso, Jacqueline Picasso; Prof. Dr. Roland Doschka; Privatbesitz Hessen

Literaturhinweise

Verve, Revue Artistique et Littéraire, Vol. VII, Nos 25, 26, Paris 1951, mit Abb.

Ausstellung

Balingen 1989 (Stadthalle), Pablo Picasso. Portrait - Figurine - Skulptur, S. 137 mit ganzseitiger Farbabb. (hier datiert "1949"); S'Hertogenbosch 1992 (Museum voor de Hedendagse Kunst, Het Kruithuis), Terra Sculptura - Terra Pictura. keramiek van de 'klassieke modernen'. Braque, Chagall, Cocteau, Dufy, Miró, Picasso, S. 184 f. mit ganzseitiger Farbabb.; London/New York 1998/1999 (Royal Academy/Metropolitan Museum of Art), Picasso: Painter and Sculptor in Clay, Kat. Nr. 4 mit Farbabb.