Die wilhelminische Epoche feiert Triumphe
Das Handelsblatt vom 21. Mai 2020 über die Preußen Auktion: Die Berliner Auktion von Lempertz offenbart einen neuen Trend. Sammler begeistern sich plötzlich für repräsentative Objekte aus der Zeit Wilhelms II.
Die wilhelminische Epoche feiert Triumphe
von Christian Herchenröder
Sammler preußischer Kunstobjekte sind eine eingeschworene Gemeinde. Sie bleiben ihrem Sammelgebiet auch in Krisenzeiten treu. Das zeigte jetzt die Berliner Preußen-Auktion bei Lempertz, die vorrangig mit kunsthandwerklichen Objekten bestückt war und eine runde Million Euro einspielte. Zwar war der Saal infolge der Pandemie schwach besetzt. Doch das Auktionshaus hatte die Sammler zuvor mit privaten Führungen verwöhnt, was sich in vielen schriftlichen Aufträgen und stringenten Telefon- und Internetgeboten niederschlug.
In dieser Versteigerung waren Repräsentationsstücke der wilhelminischen Epoche stärker begehrt als die der friderizianischen Zeit, die für Sammler älterer Couleur das Non plus ultra ihrer Wünsche war.
Paradebeispiel dieser Geschmackswandlung ist eine kaiserliche Gold-Tabatière von 1897 mit dem Bildnis Wilhelms II. Sie schnellte von 6.000 auf 45.000 Euro mit Aufgeld. Die Diamanten auf dem Deckel waren zwischenzeitlich durch Glaspaste ersetzt. Käufer dieser Schnupftabakdose, die einem verdienstvollen Offizier gewidmet wurde, ist ein Sammler aus Monte Carlo, der sich gegen amerikanisches Untergebot durchsetzte. Zum Vergleich: Im ersten Teil der Auktion war eine friderizianische Gold-Tabatière mit subtilem Architekturdekor bei 24.000 Euro zurückgegangen.
Auch beim Porzellan triumphierte die wilhelminische Epoche. Strahlende Ausnahme ist eine KPM-Tabatière mit dem Innenbildnis Friedrichs des Großen in feinster Punktiermalerei, die 28.800 Euro erzielte. Dagegen gingen charakteristische frühe Manufakturstücke reihenweise zurück. Ein KPM-Solitär im abgeschmackten Rokokostil des späten 19. Jahrhunderts mit Berliner Ansichten wurde für 6.375 Euro nach China vermittelt.
Immerhin bleibt festzuhalten, dass charakteristische Objekte des Klassizismus nach wie vor gefragt sind. Dazu gehört eine oktogonale Bildplatte der KPM mit arkadischer Landschaft. Sie vervierfachte ihren Schätzpreis und erzielte 12.500 Euro. Hauptstück dieser Epoche war eine transluzide Marmorschale von 69 cm Durchmesser nach einem Schinkel-Entwurf, die für 37.500 Euro an den Londoner Kunsthandel verkauft wurde.
Ein interessanter Preisvergleich: Ein im 20. Jahrhundert gebranntes Exemplar der berühmten Prinzessinnengruppe in Biskuitporzellan nach dem Modell von Johann Gottfried Schadow wurde für 8.100 Euro ersteigert. Von der Berliner Manufaktur frisch gebrannte Exemplare kosten jedoch 22.500 Euro.
Teuerstes Gemälde wurde mit 35.000 Euro ein vitales Porträt des lebenslustigen Monarchen Friedrich Wilhelm II. von Anton Graff. Der Käufer ist ein Londoner Privatsammler. Dass Bismarck-Porträts, die Franz von Lenbach in über 100 Varianten gemalt hat, immer noch Käufer anziehen, ist wohl mit dem Faible für starke Männer der Geschichte zu erklären. Das erklärt vielleicht, warum sich ein Exemplar aus einer alten Hamburger Privatsammlung von 8.000 auf 20.000 Euro anheben ließ.