Das Beste kommt in die Abendauktion

Das Handelsblatt vom 14.06.2020  berichtet über Lempertz: Das Kölner Auktionshaus Lempertz feiert sein 175-Jahr-Jubiläum mit einer außergewöhnlichen Versteigerung. Werke von Picasso, Andreas Gursky und Eberhard Havekost sind die Highlights.

von Christian Herchenröder

Lempertz feiert sein Bestehen seit 175 Jahren. Im Jubiläumsjahr kann das Kölner Kunsthaus ein reichhaltiges Angebot aufweisen, das sich auf neun Kataloge verteilt. Versteigert wird wieder live und online im Saal, virusbedingt aber mit weniger Beobachtern.

Ein Fixpunkt ist die neu eingerichtete Abendauktion mit 100 Werken der Moderne und der zeitgenössischen Kunst. Es ist die erste des Hauses in dieser gemischt konzentrierten Form. Konzipiert hat sie die Juniorchefin Isabel Apiarius-Hanstein. Sie teilt sich seit Kurzem mit ihrem Vater Henrik Hanstein, der seit den 1970er-Jahren das Haus leitet, die Geschäftsführung.

Das Jubiläum des Hauses stimmt so ganz nicht. Es bezieht sich auf 1845, dem Jahr, als Matthias Lempertz ins Handelsregister eingetragen wird. Die Firma machte sich aber schon seit 1798 in Bonn einen Namen als Antiquariat und Auktionsunternehmen für Bücher und Grafik. Einer der Lempertz-Mitarbeiter war Peter Hanstein, der Vorfahr des heutigen Firmenchefs. Hanstein übernahm 1875 das Versteigerungsgeschäft und führte es nach Köln. Die Firma zog 1918 am Neumarkt in das klassizistische, kriegszerstörte Haus Fastenrath ein und spielte in der modernen Kunstmarktära eine wichtige Rolle.

Lempertz war das erste europäische Haus, das ab 1908 Auktionen asiatischer Kunst durchführte. Seit 1958 versteigert es Moderne Kunst, die in der Nachkriegszeit zunächst eine Domäne von Roman Norbert Ketterer in Stuttgart war. 1984 erwarb Henrik Hanstein das Kölner Antiquariat Venator, das zweimal jährlich Spezialauktionen unter dem Namen Venator & Hanstein durchführt.

1989 schrieb sich Lempertz mit ersten Spezialauktionen zeitgenössischer Kunst und Fotografie in die Annalen ein. Ab 1992 wird afrikanische und ozeanische Kunst in der Brüsseler Dependance versteigert, die auch ein starkes Akquisitionsforum für Altmeistergemälde ist – eine Marktsparte, die bis heute den Ruf des Traditionshauses prägt.

Die Abendauktion am 19. Juni wird eine gute Melange aus Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Fotokunst. Die Hauptwerke hätten in breit gemischten Spartenauktionen weniger Ausstrahlung. Die Schätzpreise reichen hier bis 500.000 Euro. Das ist die obere Taxe für eine 1906 im Vorfeld der „Demoiselles d’Avignon“ entstandene Zeichnung zweier weiblicher Akte von Pablo Picasso. Ein 1922 datiertes kubistisches Stillleben von Juan Gris ist mit maximal 350.000 Euro angemessen geschätzt.

Die Taxe von 180.000 bis 220.000 Euro für Paula Modersohn-Beckers aus der historischen Stuttgarter Sammlung Lütze stammendes Stimmungsbild „Kinder zwischen Birkenstämmen“ (1904) ist nicht zu hoch gegriffen. In sechsstelliger Preisregion liegen auch Gemälde von August Macke, Alexej von Jawlensky, Raoul Dufy und ein Pastell von Edgar Degas. Bilder der Cobra-Künstler Karel Appel und Asger Jorn prägen die Auktion neben Bronzen von Ernst Barlach, Fritz Klimsch und Ewald Mataré.

Schätzpreise setzen Kaufanreize

Die höchste Schätzung unter den Skulpturen gilt der zwei Meter hohen Ziffer „Six“ des Pop-Bildhauers Robert Indiana. Bei der zeitgenössischen Kunst liegt das 2012 von der Galerie Blain/Southern in Berlin verkaufte Großformat „Schliss“ des Neo-Symbolisten Jonas Burger mit 200.000 bis 250.000 Euro an der Spitze. Bis 200.000 Euro reicht die Taxe für eine morbide Sphinx der gefeierten Wiener Körper-Malerin Maria Lassnig.

Als teurer Fotokünstler erscheint Andreas Gursky mit einem auf mindestens 100.000 Euro angesetzten C-Print des nächtlichen Heidelberg. Die untere Preisgruppe von 10.000 bis 35.000 Euro repräsentieren Ölbilder der ostdeutschen Maler Eberhard Havekost und Thomas Scheibitz, die aus einer Firmensammlung eingeliefert wurden. Vier dieser fünf Gemälde verknüpfen Landschaftselemente mit Ansichten von Architektur zu flüchtigen Innenbildern. Bei dem kürzlich verstorbenen Havekost ist die kühle, fast verstörend distanzierte Haltung noch stärker spürbar als bei Scheibitz. Die moderaten Schätzpreise setzen Kaufanreize.