Alte Kunst und 19. Jahrhundert
Beachtlich und zahlreich sind die Höhepunkte. An der Spitze der Auktionstehen zwei der extrem seltenen Bilder Matteo Giovannettis (700/800.000) gefolgt von einem Pferde-Gemälde des hochgerühmten George Stubbs (400/450.000), von einer höfischen Jagdgesellschaft Jacobo Amigonis (300/350.00), einem Capriccio Francesco Guardis (180/220.000), einer Landschaft Lucas van Gassels (150/180.000) und einer Winterland-schaft Philippe de Mompers für 80/120.000, der ein sehr qualitätsvolles Feld niederländischer und flämischer Künstler anführt.
ALTE MEISTER
Höhepunkt der Versteigerung im Kölner Auktionshaussind zwei Heiligenbilder des wohl aus Viterbo stammenden und am päpstlichen Hof in Avignon tätigen Matteo Giovannetti (nachgewiesen 1322 – 1369). Wenn zwei Tafeln dieses italienischen Malers auf den Markt kommen, von dem kaum mehr als eine Handvoll Gemälde überliefert sind, ist dies auch für die kunstgeschichtliche Forschung eine wichtiges Ereignis. Wesentlich für die künstlerische Entwicklung Giovannettis war der elegante Stil Simone Martinis. Die kunsthistorische Forschung ist sich einig, dass die Tafeln einst zu einem kleinen Flügelaltar gehörten und in Giovannettis früher Schaffensphase anzusiedeln sind – und zwar um 1344–46. Sein wacher Sinn und sein augenfälliges Talent für die Naturwiedergabe offenbaren sich generell in seinem Werk, besonders schön aber auch im Antlitz unseres greisen Antonius Abbas und in der eleganten Figur der Heiligen Katharina von Alexandrien. Giovanettis höchst modern anmutendes physiognomisches Interesse ließ ihn Figuren, Gebärden und Kopftypen schaffen, die alle bis dahin geltenden Konventionen sprengten. Damit wurde der Künstler zu einem der originellsten Maler nicht allein Italiens, sondern Europas. In seiner Kunst finden sich bereits Ingredienzen, die die internationale Gotik im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts ausmachen werden. Beide offerierten Tafeln befanden sich einst im Besitz des Malers Franz von Lenbach, aus dessen Nachlass sie stammen und seitdem nicht mehr auf dem Kunstmarkt angeboten worden sind (Lot 1007, 700/800.000).
George Stubbs, der bedeutendste Maler von Pferden im englischen 18. Jh., lebte und arbeitete in einer Epoche, in der die Künste ebenso wie die Pferdezucht eine einzigartige Blütezeit auf der Insel erlebten. Eine genuin britische Schule der Malerei entstand, London wurde zu einem internationalen Kunstzentrum, Institutionen wie die Royal Society of Arts und Royal Academy wurden gegründet. Zugleich entwickelten sich Pferdesport und Pferdezucht zu einer bedeutenden Betätigung vor allem der Aristokratie. George Stubbs verstand es, der Leiden-schaft für Pferde und Kunst in seinen Bildern Gestalt zu verleihen. Das 1768 kurz nach der Publikation von Stubbs‘ viel beachteten Studien zur Anatomie des Pferdes entstandene Gemälde ist gleichermaßen Portrait, Pferdeporträt und pittoreskes Landschaftsbild (Lot 1115, 400/450.000).
Bis 1989 wurde Jacopo Amigonis wohl um 1740 entstandene Höfische Jagdgesellschaft mit Damen als Werk des Franzosen Carle van Loo zugeschrieben. Diese nicht überzeugende Zuschreibung wurde spätestens 1989 fallengelassen, als es in London als „attributed to Amigoni“ versteigert wurde. Die Expertin und Autorin der bisher einzigen publizierten Monographie zu Amigoni, Annalisa Scarpa Sonino, wird das Gemälde als Werk Amigonis in einer geplanten Publikation vorstellen. Der Künstler gehört jener bedeutenden Gruppe von venezianischen Malern des Settecento an, die wie Tiepolo, Sebastiano Ricci oder Gianantonio Pellegrini und den Vedutisten Antonio Canal oder Bernardo Belloto mit ihrer malerischen Kultur die Höfe Europas bereichert haben (Lot 1105, 300/350.000).
Francesco Guardis 1770/1775 entstandenes kleines Capriccio con Arco rovinato e mura di paese ist mit 200/220.000 bewertet. Neben Antonio Canal, gen. Canaletto, hat Guardi unsere Vorstellung von Venedig geprägt: Topographisch präzise und narrativ der eine, impressionistisch und visionär der andere. Im Gegensatz zu anderen Vedutenmalern der Lagunenstadt gilt Guardis künstlerisches Interesse allein der optischen Erscheinung und Magie dieses einzigartigen Ortes. Während Guardis venezianische Malerkollegen in ganz Europa die Kirchen und Paläste des Ancien Regime schmückten, hat er selbst seine Heimatstadt nie verlassen und hier als freier Künstler Werke für den Markt produziert (Lot 1107).
Die 1540 datierte Weite Landschaft in der Christus einen Blinden heilt gehört zu den nur zehn Bildern, die Lucas van Gassel signiert und datiert hat. Diese Werke zwischen 1530 und 1540 des in der Nachfolge Joachim Patiniers belegen Gassels große Begabung als Landschaftsmaler. Typisch für seinen Gestaltungsstil ist die Unterteilung der Landschaften in unterschiedliche Ebenen, in denen in kleineren Szenen biblische Begebenheiten oder solche aus dem täglichen Leben geschildert werden. Die vorliegende Blindenheilung bezieht sich auf die geistige Blindheit der Menschheit, die mit der Menschwerdung Christi erlöst wird (Lot 1016, 150/180.000).
Philippe der Momper, Sohn des Malers Josse de Momper, war eng mit Jan Brueghel d. J. befreundet. Mit dem Thema der Winterlandschaft hat sich Pieter Brueghel d. Ä. als erster intensiv befasst, während dem eine Generation jüngeren Josse das Verdienst zukommt, die winterliche Landschaft als eigenständiges Bildthema etabliert zu haben. In dieser Tradition steht die vorliegende, um 1630 entstandene Winterlandschaft seines Sohnes Philippe, die lange Zeit als eigenhändiges Werk Josses galt. Der bereits mit 36 Jahren verstorbene Maler war mit dem Stil seines Vaters bestens vertraut, ist allerdings ein Künstler mit einer ausgeprägt persönlichen Handschrift. Mit Leben erfüllt wird das atmosphärisch von klirrender Kälte überzogene Dorf durch zahlreiche Staffagefiguren, die ein realistisches Bild des dörflichen Lebens im Flandern des frühen 17. Jh. vermitteln (Lot 1036, 80/120.000). Sein Vater Joos de Momper ist mit einer Landschaft und einer Hafenansicht vertreten (Lots 1033/1034, bis 50/55.000).
Von Gaspar Peeter Verbruggen d. Ä., einem erfolgreichen Antwerpener Blumen- und Stillleben-Maler, liegt ein fein gemaltes Gemäldepaar mit Rosen und Wiesenblumen in einer Vase vor (Lot 1076, 100/120.000). Salomon van Ruysdael ist mit einer Dorfstraße mit Viehherde an einer Herberge für 80/100.000 und einer mit 50/70.000 bewerteten Flussland-schaft präsent (Lots 1046/1047). Auch Pieter Coecke van Aelst ist mit zwei Werken vertreten. Bei ebenfalls 80/100.000 liegt seine Heilige Familie (Lot 1013) und bei 65/70.000 eine Ruhe auf der Flucht (Lot 1014). Ein Porträt des Erzherzogs Ferdinand von Habsburg, zweiter Sohn des Kaisers Ferdinand I, Bruder Kaiser Maximilian II. und späterer Landesfürst von Tirol, ist William Scrotts zugeschrieben (Lot 1023, 80/100.000).
Eine ausdrucksstarke Tafel mit Ecce Homo-Darstellung des Brügger Meisters um 1520/1530 ist mit 80/90.000 bewertet (Lot 1012). Von Philips Wouwerman werden eine Landschaft mit aufbrechenden Reitern und Bauern für 60/80.000 (Lot 1056) und Rastende Bauern und Reiter vor einem Wirtshaus angeboten (Lot 1057, 60/70.000). Ein junger Mann mit Federhut aus der Rembrandt-Schule ist mit einer Taxe von 60/80.000 versehen (Lot 1055). Der flämisch-holländische Maler Alexander Keirincx zeigt einen Überfall in einer großformatigen Landschaft (Lot 1038, 70/80.000). Antoni van Stralen, ein auf Winterlandschaften spezialisierter Maler, präsentiert ein Eisvergnügen (Lot 1037, 50/60.000). Zwischen 40/60.000 liegen Werke von Catharina Ykens, Jan van Mieris, Swart van Groningen, dem Meister mit dem Papagei, von Frans Mieris d. J., einem Oberdeutscher Meister und einem Antwerpener Meister um 1520.
SKULPTUREN
Die Offerte mit Skulpturen und Kleinplastik reicht vom 13. bis zum 19. Jh. Den Schwerpunkt bildet die Skulptur der Gotik mit Arbeiten des 14. – 16. Jh. aus dem deutschsprachigen und flämischen Raum. Zu den Spitzenstücken gehört eine um 1370 entstandene nordfranzösische Madonna mit Kind aus Kalkstein (Lot 1166, 60/80.000). Aus der Werkstatt oder dem Umkreis Tilman Riemenschneiders stammen drei aus Lindenholz gearbeitete Skulpturen: Neben einer Anna Selbdritt für 30/35.000 (Lot 1193) wird ein Paar mit dem Hl. Achatius und einer weiteren Anna Selbdritt angeboten (Lots 1194/1195, je 40/50.000). Von dem zwischen 1503 – 1543 tätigen Hans Gottwald von Lohr wird ebenfalls eine Anna Selbdritt offeriert (Lot 1190, 40/45.000).
19. JAHRHUNDERT
Das 19. Jh. wird von Gemälden von Otto Scholderer, Andreas und Oswald Achenbach, Hugo Mühlig, Johann Michael Wittmer und Felix Ziem angeführt. Otto ScholderersHeimkehrende Landarbeiter wirkt wie ein Genrebild, ist aber tatsächlich ein Familienporträt (Lot 1563, 50/60.000). Andreas Achenbach ist mit drei nördlichen Küstenlandschaften vertreten (Lots 1541-1543, von 32/36.000 bis 45/50.000). Oswald Achenbach blickt auf den Rigi und zeigt eine italienische Landschaft mit zwei Mönchen vor romanischer Architektur (Lots 1544/1545, von 30.000 bis 50.000). Bei Johann Michael Wittmer fällt Bonifatius, der als „Apostel der Deutschen“ verehrt wird, die dem Gott Thor geweihte Donareiche. Die 1861 vollendete, 166 x 208,5 cm messende Leinwand ist mit 40/50.000 bewertet (Lot 1540). Hugo Mühlig ist mit einem Pferdefuhrweg präsent, das sich, durch eine verschneite Allee fahrend, auf dem Weg zum Markt befindet (Lot 1577, 40/55.000). Eines seiner charakteristischen Jagdbilder trägt eine Taxe von 40/45.000 (Lot 1578). In ganz andere, südliche Gefilde führt Felix Ziem den Betrachter mit seiner Abendlichen Ansicht auf Istanbul und den Bosporus (Lot 1553, 40/45.000).
Der wohl 1906 entstandene Forellenbach von Hans Thoma zeigt eine für den Künstler typische Schwarzwaldlandschaft (Lot 1569, 20/25.000). Dieselbe Taxe trägt eine Ansicht des Zisterzienserklosters in Maulbronn von Domenico Quaglio (Lot 1511). Bei 20/30.000 liegt ein Gemälde mit Reitern in einer weiten Dünenlandschaft von George Henrik Breitner (Lot 1568). Auch ein extremes Querformat Eugen Klimschs ist mit dieser Taxe bewertet. Das 103 x 311 cm messende außergewöhnliche Gemälde zeigt ein üppiges, wohl zur Zeit der italienischen Renaissance anzusiedelndes Fest (Lot 1566). Zehn dekorative Aquarelle des irischen Künstlers James George O’Brien, gen. Oben mit Landschaften aus Irland, England und Wales kommen auf 48/54.000 (Lot 1501).