Anselm Kiefer an der Spitze
Die glänzende Offerte – zum ersten Mal auf zwei Kataloge verteilt (bis 20.000 und über 20.000) – wird von zwei bedeutenden Arbeiten Anselm Kiefers angeführt: Von „Geheimnis der Farne“ für 450/550.000 Euro und von der Skulptur „Sappho“ mit 350/400.000. Günther Uecker, für den Lempertz schon mehrere Rekorde erzielt hat, ist mit vier Nagelungen vertreten (bis 240.000), Konrad Klapheck mit einer Leinwand für 120/150.000, Ernst Wilhelm Nay mit zwei Leinwänden für 120/150.000 und 120/160.000. 120/150.000 lautet auch die Taxe für ein Gemälde Pierre Soulages‘. Ein Bild Karin Kneffels wird für 80/120.000 offeriert und zwei Zeichnungen Cy Twombly für 90/120.000. Andreas Gurskys spektakuläre Aufnahme Maid of the Mist am Fuße der Niagara-Fälle gehört zu den Highlights der Photographie-Offerte (s. Photo-Vorbericht).
Mit Geheimnis der Farne rekurriert Anselm Kiefer auf das 1946 entstandene gleichnamige Gedicht Paul Celans, der eine der wichtigsten Referenzquellen in Kiefers Werk bildet. Seine Arbeiten sind bedeutungsbeladene ‚Erinnerungswerke‘ und offenbaren seine intellektuelle Auseinandersetzung mit sowohl der persönlichen als auch der nationalen Vergangenheit, jüdischer Mystik, alchemistischen Traditionen und Mythen der Antike (s.a. Lot 523). In der Konsequenz strahlen Kiefers Werke grundsätzlich eine geheimnisvolle und oftmals erhabene Aura aus, die in ihrer Monumentalität und in ihrer Deutungsvielfalt begründet ist. In der vorliegenden Arbeit schichtet Kiefer verschiedenste urtümlich anmutende Materialien über- und untereinander und lässt damit vor den Augen des Betrachters eine geheimnisvoll wirkende Sumpflandschaft entstehen, in der sich mehrere Felsbrocken, umrankt von Farnbüschen und einem Stacheldrahtkonglomerat am unteren Bildrand, aus einem Flussbett erheben. Den Schlüssel zur Dekodierung dieser geheimnisvollen Szene liefern die für Kiefer typischen Beschriftungen im oberen linken Bildfeld: „für Paul Celan“ und „Geheimnis der Farne“ (Lot 522, 450/550.000).
Anselm Kiefer analysiert in seinen Werken die Zusammenhänge von Geschichte, Wissen, Kultur und Identität der Menschheit. Wiederholt tauchen in seinen Werken Frauen auf. Zu den berühmtesten Vertreterinnen aus Literatur und Überlieferung gehören ‚Margarethe‘ und ‚Sulamith‘ aus Paul Celans Gedicht „Die Todesfuge“ sowie die mythologische Dämonin ‚Lilith‘. Bei Kiefer wirkt die antiike Dichterin Sappho wie eine geheimnisvolle Erscheinung aus einer anderen Zeit, die symbolhaft Geschichte und den ihr innewohnenden Wissensgehalt anschaulich macht. Auf ihren Schultern trägt die Gestalt sieben Bleibücher und seltsamerweise gelingt es Kiefer, mit dieser schweren Last den Gesamteindruck ätherischer Leichtigkeit sogar zu unterstützen. Ganz in der Tradition der klassischen abendländischen Ikonographie verweist Kiefer mit diesen Büchern als Attribut auf Sapphos Rolle als Literatin und Wissensgeneratorin (Lot 523, 350/400.000).
Das enorme Interesse an Arbeiten der ZERO-Künstler spiegelt sich sowohl in zahlreichen internationalen Ausstellungen – wie in der jüngst geendeten Piene-Retrospektive in Berlin und in der aktuellen ZERO-Ausstellung im Guggenheim Museum in New York. Beim Auktionshaus Lempertz erzielen Werke der ZERO-Künstler regelmäßig Spitzenergebnisse. Neben interessanten Leinwandarbeiten von Otto Piene und Objekten von Heinz Mack ist natürlich auch Günther Uecker mit einigen hochkarätigen Nagelarbeiten vertreten. Abgesunkenes Quadrat, eine 300 x 192 x 110 cm messende Installation, ist das größte Werk der Uecker-Offerte. Die Arbeit aus dem Jahr 1976 erhält ihre Bedeutung durch ihren immanenten Reflexionsgrad: Was der Künstler nahezu 20 Jahre zuvor begonnen hatte – mit der Benagelung des Bildträges Bild und Objekt zu verschmelzen – wird hier auf die Spitze getrieben, weil der Bildträger zersplittert auf dem Boden liegt, obsolet geworden ist und die das Bild einst umgebenden Nägel sich nun von diesem emanzipiert haben. Die besondere Bedeutung dieses Werks ist an der umfassenden Ausstellungs- und Publikationsgeschichte abzulesen (Lot 525, 180/240.000). Feld, eine dicht-bewegte Nagelung aus dem Jahr 2000, ist mit 180/220.000 bewertet (Lot 526). Die 25 Jahre früher entstandene quadratische und direkt vom Künstler erworbene Kreisformation liegt bei 80/120.000 (Lot 524).
Otto Piene ist mit sieben Arbeiten vertreten, darunter fünf mit Acryl und Feuerspuren gefertigte Leinwände aus den Jahren 1983 bis 2007; deren Taxen zwischen 20.000 und 40.000 liegen (Lots 528, 529, 531, 533, 534). Aus den drei Werken Heinz Macks ragt eine Rotor-Relief-Scheibe aus Aluminium von 1967 heraus (Lot 530, 20/25.000).
Von Ernst Wilhelm Nay liegen zwei Arbeiten vor, eine frühe aus dem Jahr 1944 und eine neun Jahre später entstandene beidseitig bemalte Leinwand. Elisabeth Nay-Scheibler führt zur älteren Königin auf dem Thron aus: „Das mit weißen Strichen und Punktreihen angedeutete Rückgrat der beiden Figuren in „Königin auf dem Thron“ (Kat. Nr. 328) macht die Skelettform der Körper sichtbar. Als Gegensatz zu diesem Memento mori empfindet man die harmonisch-warme Farbgebung dieser Bilder, in denen Nay erstmals das Gelb als dominante Farbe wählt und in der Kombination mit hellem Rot einen leuchtenden, lebensvollen Farbklang erreicht. Das Brennende dieser Feuerfarben mildert Nay häufig durch eine Skala von Braun- und Grüntönen“ (Lot 513, 120/150.000).
Das neun Jahre später entstandene doppelseitige Gemälde In Blockformen offenbart bereits die vollzogene Abkehr von jeglichen gegenständlichen Formen. Jetzt dominiert ein leicht und dynamisch wirkender Reigen locker gesetzter, offener Farbformen und Linienstrukturen. Diese Merkmale finden sich so auch auf der Rückseite von „In Blockformen“. Die vorderseitige Komposition weist einen beruhigten, von weich gerundeten Formen geprägten Charakter auf. Durch das vollständige Fehlen der Linienstrukturen ist hier bereits ein Ausblick auf die Scheibenbilder gegeben, die Nay ab 1955 erarbeitet (Lot 514, 120/160.000).
Konrad Klapheck ist einer der herausragendsten und eigenwilligsten Vertreter der deutschen Nachkriegskunst. Telephone gehören mit zu den wichtigsten Gegenständen in Klaphecks Malerei. Sie interessieren den Künstler vor allem als Mittel der Kommunikation. Am vorliegenden Beispiel Der Kuss von 1966 wird vor allem der körperlich-erotische zwischen-menschliche Austausch hervorgehoben. Die Arbeit wurde 1969 in Klaphecks erster Einzelausstellung in den USA in der New Yorker Sidney Janis Gallery gezeigt und auch im Ausstellungskatalog prominent abgebildet (Lot 536, 120/150.000).
Pierre Soulages ist seit seinen Anfängen in 1940er Jahren der abstrakten Malerei zugewandt; sein zentrales Thema ist die Wiedergabe des Lichts auf der Leinwand. Mehr oder weniger breite Linien sind diagonal, vertikal oder horizontal so miteinander vor hellem Hintergrund verknüpft, dass das Licht immer wieder durchscheinen kann. Dieses künstlerische Konzept lässt sich an der vorliegenden Arbeit exemplarisch nachvollziehen (Lot 507, 120/150.000).
Auf je 90/120.000 kommen zwei Agori betitelte Zeichnungen in Öl, Gouache und Bleistift von Cy Twombly aus dem Jahr 1966. Mit der Weiterentwicklung des Abstrakten Expressionismus schuf Cy Twombly eines der einflussreichsten und faszinierendsten Künstler-Oeuvres des 20./21. Jahrhunderts. In seinen symbolisch aufgeladenen Werken kombinierte er – meist in Anspielung auf antike Mythen und Literatur – geschriebene Versatzstücke sowie chiffrehaft anmutende und malerisch ausgeführte Elemente (Lots 520/521). Zu den Spitzenstücken der Auktiongehört auch Tomates au cadre bleu, eine Mischtechnik Miquel Barcelós aus dem Jahr 2009 (Lot 549, 150.000). In Pflaumen (F.XXIV) aus dem Jahr 1996 kombiniert Karin Kneffel zwei verschiedene Perspektiven miteinander: Die Äste, Blätter und Früchte im Vordergrund geben den Durchblick auf eine weit entfernte, deutlich tiefer liegende Landschaft frei. Hier wird durch die starke Gegenüberstellung von Nah- und Fernsicht eine Dramatisierung bei gleichzeitiger Verunsicherung des Betrachterstandpunktes inszeniert (Lot 552, 80/120.000).
Von Gotthard Graubner liegt ein mit 50/70.000 bewertetes unbetiteltes Kissenbild aus dem Jahr 1983 vor (Lot 527). Während Georges Mathieu mit Redorte, einer Leinwand von 1965 mit Schmela-Provenienz vertreten ist (Lot 506, 60/80.000), liefert Marwan eine Leinwand mit einem Kopf für 80/90.000 und ein weiteres Gemälde für 50/60.000 (Lots 517/518). Von Andy Warhol kommt Beethoven, eine Farbserigraphie von 1987 (Lot 544, 40/45.000). Gerhard Richter ist mit einem digitalen Farbtintenstrahldruck von 2011 vertreten (Lot 546, 50.000), Fritz Winter mit drei Leinwänden aus den 1960er Jahren (bis 45.000), Wilhelm Mundt mit Trashstone, einer 265 cm langen Plastik aus dem Jahr 1992 (Lot 30/40.000), George Rickey mit einer kleinen Plastik für 25/35.000 (Lot 538), Stephan Balkenhol, Markus Lüpertz und Jörg Immendorff mit mehreren Gemälden und Plastiken (bis 40.000).
Wie immer offeriert Lempertz eine große Anzahl hochkarätiger Beuys-Arbeiten, darunter mehrere Zeichnungen und eine frühe Papierarbeit von 1958 (bis 40.000) und interessante Multiples wie die „Capri-Batterie“. In Bonzenbunker, eine Folge von 18 Papierarbeiten (1 Bleistiftzeichnung sowie 17 unikate Offsetlithographien) von 1981, beschäftigte sich Beuys kritisch mit dem umstrittenen Bau des Regierungsbunkers in Bad Neuenahr-Ahrweiler (Lot 504, 50/60.000).