Ludwig Meidner - Selbstporträt - image-1

Lot 910 Dα

Ludwig Meidner - Selbstporträt

Auction 831 - overview Köln
04.12.2002, 10:30 - Moderne Kunst 4. Dez. 2002
Estimate: 8.000 € - 10.000 €
Result: 14.160 € (incl. premium)

Öl auf Karton 74 x 57,5 cm, gerahmt. In der linken oberen Ecke braun monogrammiert und (undeutlich) datiert L.M. 193... Rückseitig mit einer weiteren Porträtdarstellung (Figur mit Hut), die vom Künstler gänzlich übermalt worden und verworfen ist. - Die unteren beiden Ecken minimal bestoßen.

Wohl kaum ein Künstler des 20. Jahrhunderts hat sich sein Leben lang so intensiv mit der Selbstdarstellung beschäftigt wie Ludwig Meidner, Selbstbildnisse begleiten das Werk und schwierige Leben dieses Malers in jeder seiner Phasen. Das vorliegende Selbstporträt wird vermutlich Ende 1939 entstanden sein, als der Künstler Deutschland verlassen hatte und in England einen Neuanfang suchte; wie schwierig diese Umstellung für ihn wurde, geht aus der Tatsache hervor, daß er zuerst von Frau und Kind getrennt leben mußte und, um zu überleben, in der orthodoxen Gemeinde, der er angehörte, Nachtwachen bei den Toten hielt und sogar Porträts Verstorbener nach Photographien malte. Meidner, der sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg von der Ekstatik seines Expressionismus sowohl in der Malerei wie in seiner Dichtkunst zum Entsetzen aller Künstlerfreunde radikal abgewandt hatte und, tiefreligiös geworden, sich ganz der Darstellung von Menschen und rein Gegenständlichem widmete, stellt sich hier mit schonungsloser und erschütternder Ehrlichkeit völlig uneitel dar als Emigrant, der in Not und Einsamkeit Hungerjahre verbringt. Vor völlig neutralem, dunklem Hintergrund ist der Kopf mit kräftigen, manchmal auch zarten Pinselstrichen, die ihn in deutlichem Hell und Dunkel im Licht modellieren, wiedergegeben; fragend ist der eindringliche Blick auf den Betrachter gerichtet.