Rudolf Schlichter - Dienstmädchen - image-1

Lot 1045 Rα

Rudolf Schlichter - Dienstmädchen

Auction 831 - overview Köln
04.12.2002, 10:30 - Moderne Kunst 4. Dez. 2002
Estimate: 8.000 € - 10.000 €
Result: 10.620 € (incl. premium)

Aquarell und Bleistift auf dickem elfenbeinfarbenen Aquarellpapier 77,5 x 56,2 cm. Unten rechts mit Bleistift in Sütterlinschrift signiert R. Schlichter und links betitelt Dienstmädchen sowie rückseitig zusätzlich von fremder Hand betitelt und datiert "1929". - Partiell im Randbereich mit unauffälligen Stockflecken, am Unterrand mit kurzem Einriß ca. 1 cm. Rückseitig an den oberen Ecken in Passepartout montiert.

Das im großen Halbfigurenformat angelegte, voll ausgeführte Aquarell zeigt eine junge Frau im roten Samtsessel sitzend, die Hände in den Schoß gelegt. Ernst und nicht ohne Selbstbewußtsein schaut sie den Betrachter an; eine Anlage der Komposition auf der Rückseite zeigt die verworfene Fassung des Porträtkopfes ins Dreiviertelprofil gedreht. Einzig der rotwangige, ungeschmickte Teint - farbkompositorisch geschickt zum Sesselbezug korrespondierend - und die weiße Schürze passen nicht zum repräsentativen Habitus und Format. Wie auch der Titel andeutet, handelt es sich bei der Dargestellten keineswegs um die Dame des Hauses, sondern um das Dienstmädchen.
War diese spezielle Gattung des Dienstbotenporträts im 18. und 19. Jahrhundert eine Ausnahme wie beispielsweise bei William Hogarth, werden mit der Industrialisierung und Verelendung des Proletariats während der Weimarer Republik Arbeiter und kleinbürgerliche Berufsstände zunehmend Bildgegenstand. Dienten in der Malerei der 'Neuen Sachlichkeit' die Charakterisierungen von Berufständen anhand von Typisierungen eher der Schilderung von Mißständen, scheint es sich bei dem vorliegenden Aquarell um das Porträt einer bestimmten Person zu handeln. Im Auftrag der Dargestellten wird es aber nicht entstanden sein, denn vermutlich hätte sie sich nicht in der Alltagsschürze porträtieren lassen. Vielmehr ist die Sitzung wohl auf Schlichter selbst zurückzuführen, der in diesem objektiven Porträt ein mit dem vornehmlich in den dreißiger Jahren entstandenen Berufsständezyklus des Fotografen August Sander vergleichbares Bildnis geschaffen hat (vgl. August Sander, Menschen des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Bd.III Die Frau, München 2002, III/17/5, III/17/17).