Otto Mueller - Zwei Mädchen - image-1

Lot 816 Dα

Otto Mueller - Zwei Mädchen

Auction 842 - overview Köln
28.05.2003, 10:30 - Moderne Kunst
Estimate: 70.000 € - 80.000 €
Result: 106.200 € (incl. premium)

Aquarell und farbige Kreiden auf festem, leicht genarbten Büttenpapier 52,3 x 68,6 cm, unter Glas gerahmt. Unten rechts mit Bleistift signiert Otto Mueller. - Rückseitig entlang des rechten Blattrandes mit Bleistift alt beschriftet "Rother", sowie mit einem kleinen runden Zollstempel "K.B.H.Z.A. MÜNCHEN" versehen.
von Lüttichau/Pirsig Mappe 633 (CD-Rom Prestel Verlag 2003, irrtümlich mit z.T. falschen Angaben)

Nach freundlicher Mitteilung von Mario-Andreas von Lüttichau handelt es sich bei der rückseitigen Beschriftung "Rother" möglicherweise um den Namen einer im Zusammenhang mit Otto Mueller Arbeiten bekannten Privatsammlung in Breslau.
Das undatierte, wahrscheinlich noch in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre entstandene Blatt tradiert die von der "Brücke" von Anbeginn bevorzugte Darstellung weiblicher Akte im Freien. Das Werk Otto Muellers, dessen Stil sich seit 1910 ausgeprägt hatte und über die Folgejahre wenig veränderte, ist besonders charakterisiert durch die Bevorzugung des Themas. Mit den Freunden Kirchner und Heckel hatte er 1910/1911 nicht nur an den Moritzburger Seen gemalt und gezeichnet, sondern immer wieder auch an den deutschen Meeresstränden, hier vor allem 1923 gemeinschaftlich mit Erich Heckel an der Flensburger Förde.
Der exotische Mädchentypus Otto Muellers in seiner völlig entspannten, lässigen Haltung ist gleichsam zur populären Ikone des deutschen Expressionismus geworden. Karl Scheffler hatte 1919 in einer Ausstellungsbesprechung zur ersten Werkschau bei Paul Cassirer erstmals von "etwas Zigeunerhaftem" gesprochen und die "eckige Grazie einer raffinierten Primitivität" hervorgehoben. Die Vorliebe Muellers für den Typus entwickelte sich nicht nur aus den persönlichen Lebensbezügen (Maschka Mueller hatte schon ausgeprägte slawische Gesichtszüge), er reiste wiederholt nach Böhmen und in den Balkan, seine späteren dort entstandenen "Zigeunerbilder" wurden legendär. Aufgenommen und verstanden wurden diese Darstellungen, weil sie neben der Anmut der Figuren Aspekte von Freiheit, Ungebundenheit und Naturnähe symbolisieren.
Komponiert Mueller sonst gerne mehrere Figuren in unterschiedlichen Stellungen, so zeigt das vorliegende repräsentative große Blatt zwei einander gegenüber lagernde Mädchen im Gras. Die Zeichnung vereinfacht und abstrahiert die Gestalten, die mit blauen und schwarzen Kreiden umrissen sind. Intensives Gelb kontrastiert zur grünen Vegetation, die fächrig gegliedert, in typischer Weise den Bildgrund mit gegeneinandergesetzten Formbüscheln strukturiert. Farblich ist die Komposition nicht auf starke tonale Gegensätze, sondern auf Integration gestimmt bis hin zum hellen flächigen Fond des Papieres, der fast "Düne" zu evozieren scheint.
"Im steten 'Sichgleichbleiben' ähnelt Otto Mueller den chinesischen Meistern, die ja auch für das gleiche Motiv ständig wiederholter Anstrengung den reinsten Ausdruck suchten. Das Wort 'Einklang', das wir zur Bezeichnung der engen Zugehörigkeit von Wesen und Werk Otto Muellers gern verwenden, gewinnt eine neue - seine ursprüngliche - Bedeutung als ein Klang: Otto Muellers Werk ist ganz und gar auf einen Klang gestellt, auf ein Thema, einen Stil, einen Vortrag." (Lothar-Günther Buchheim, Otto Mueller, Leben und Werk, Feldafing 2003, Erstauflage 1963, S. 119).

Catalogue Raisonné

von Lüttichau/Pirsig Mappe 633 (CD-Rom Prestel Verlag 2003, irrtümlich mit z.T. falschen Angaben)

Certificate

Mit einer Echtheitsbestätigung von Mario-Andreas von Lüttichau, Essen; das Werk ist in das Werkverzeichnis der Arbeiten von Otto Mueller aufgenommen.
Mündlich bestätigt von Florian Karsch, Berlin

Provenance

Sammlung Ernst August Engelking, Heidelberg; seitdem in Privatbesitz