Georg Tappert - Weib (Kauernde mit rotem Turban) - image-1

Lot 1000 Dα

Georg Tappert - Weib (Kauernde mit rotem Turban)

Auction 847 - overview Köln
26.11.2003, 00:00 - Moderne u. Zeitgenössische Kunst
Estimate: 200.000 € - 250.000 €
Result: 214.200 € (incl. premium)

Georg Tappert

Weib (Kauernde mit rotem Turban)
1913

Öl auf Leinwand 120,5 x 109,5 cm signiert

"Das erschütterndste ist eine Enthüllung. Das wissen wir seit Dostojewski. Das wittern wir durch van Gogh. Pack den Vorhang! Schaudern ergreift uns beim Zugreifen. Ein Taumel in Rot ereignet sich. Von Rot, die nicht einmal zu einander passen: Zauber der Schminke. Trumpf der Gunst. Nun Dirne, dein Fleisch soll beichten. Hier dem Mann. Du lachst bloß. So kann ein andrer für dich beichten. Das wundervolle Tier: der Künstler." (Theodor Däubler, Der Maler Georg Tappert, aus: Die Schöne Rarität, 1919, zit. nach Georg Tappert, Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen, Ausst. Kat. Galerie Michael Neumann, Kiel 1982, S. 31)
Entblößung, provozierende Erotik, Entfesselung der Farben, der "Taumel in Rot", dies sind Ingredienzen einer expressionistischen Malerei Tapperts, die mit ihren großartigen Aktdarstellungen vor 1914 zum außergewöhnlichen Höhepunkt in dieser Zeit gerät. Sie ignoriert völlig die akademisch tradierten Schönheitsmuster und stört empfindlich bourgeoise "Ästhetik". Das Modell "Betty" bemächtigt sich aller künstlerischen Techniken, der Ölmalerei, der Zeichnung, des Aquarells, vor allem auch der Druckgraphik: 1913/1914 erscheint die gleichnamige Mappe mit 10 Radierungen mit Varianten des liegenden Aktes (Gerhard Wietek, Georg Tappert, Werkverzeichnis der Druckgraphik, Köln 1996, Nrn. 154-163); im vorliegenden Zusammenhang sind hier u.a. auch die Linolschnitte "Sitzende mit Tuch" von 1912/1913 (Wietek 52) und der "Kopf Betty" (Wietek 51) nach eigenem Fotoporträt zu nennen (s. Abb.).
"Zweifellos ist Tapperts Expressionismus dem der Brücke Künstler nahe verwandt, doch von der Mondänität der überlangen Kokottenfiguren in Kirchners Bildern, der durchgeistigten Spitzigkeit der Gestalten Erich Heckels, der sperrig-eckigen Wucht der Gestaltformen im Werk Karl Schmidt-Rottluffs unterscheidet sich Tapperts Stil - darin am ehesten noch Max Pechstein nahe, ihn aber in dieser Hinsicht übertreffend - ganz eindeutig durch die derbe, kraftvoll in sich ruhende Sinnlichkeit seiner Frauenakte. [...] Das Wirkungsgeheimnis seiner Gemälde ist die ungebrochene ihrer selbst gewisse Vitalität des Malers, die in die Lust des Pinselstrichs einfließt, und die sich heute noch auf das Miterleben des Betrachters ohne Umstände überträgt." (Eberhard Roters, Einführung zum Ausst. Kat. Georg Tappert. Ein Berliner Expressionist 1880 bis 1957, Berlinische Galerie, Berlin 1980/1981, o.S.)
Diese Sinnlichkeit, die der groß gesehene Akt, hier ohne jegliches Attribut, durch seine nahe Präsenz ausstrahlt, findet seine Entsprechnung in der malerischen, haptischen Qualität der Farben und in dem heftigen schräg gesetzten Pinselduktus, das eine ist ohne das andere nicht denkbar und für den Betrachter am Original überwältigend. Man gerät selbst in den Sog der taumelnden, um das "Weib" kreisenden Bewegung, die noch in der Tiefe des Bildes die Röckschöße der gedrehten Rückenfigur fliegen läßt.

Catalogue Raisonné

146 Wietek

Provenance

Sammlung W. Schniewind, Neviges

Exhibitions

Kassel 1959 (Kunstverein), Georg Tappert - Gedächtnisausstellung; Berlin 1961 (Akademie der Künste), Georg Tappert 1880 - 1957, Nr. 28 o.Abb. ("Der rote Turban. Um 1910"); Hagen 1967 (Karl Ernst Osthaus-Museum), Zehn Maler des Expressionismus; Berlin 1973 (Kunstamt Wedding), Georg Tappert - Gemälde; Hamburg 1977 (BAT-Haus), Georg Tappert - Wiederentdeckung eines Expressionisten