Egon Schiele - Zwei Frauen - image-1

Lot 968 Dα

Egon Schiele - Zwei Frauen

Auction 847 - overview Köln
26.11.2003, 00:00 - Moderne u. Zeitgenössische Kunst
Estimate: 300.000 € - 350.000 €
Result: 797.300 € (incl. premium)

Egon Schiele

Zwei Frauen
1911

Aquarell und Gouache über Bleistiftzeichnung 55,3/55,1 x 36,4 cm monogrammiert - S. Condition Rep.

Im September des Jahres 1911 schrieb der 21-jährige Schiele an Oskar Reichel, einen seiner Sammler und Förderer, die bewegenden Zeilen:
"... Ich habe das unmittelbare Mittel bei mir, das um niederzuschreiben..., um erforschen zu wollen, um zu erfinden, um zu entdecken, mit Mitteln aus mir, die schon die starke Kraft haben, selbst zu zünden, selbst zu verbrennen und zu leuchten, wie ein Gedanke, vom ewigen Licht, und zu leuchten in die dunkelsten Ewigkeiten unserer kleinen Welt...So erbringe ich stets mehr, stets Weiteres, endlos Scheinenderes aus mir. Ich bin so reich, daß ich mich fortschenken muß." (zit. nach Rudolf Leopold in: Serge Sabarsky, Egon Schiele. 100 Zeichnungen und Aquarelle, Stuttgart 1988, S. 23).

Das vorliegende bislang unbekannte Werk gehört zu den erotischen Darstellungen Egon Schieles, ein Blatt aus seiner künstlerischen Reifezeit. Die Zeichnung erscheint frei angelegt, absichtsvoll skizzenhaft und ist doch seit der ästhetischen Vorläuferschaft Rodins, der die Sehweisen revolutionierte, als vollkommen empfunden.
Bezeichnend ist die Meisterschaft mit der die steile Proportion des Blattes, die asymmetrische Anlage mit den leeren Flächen, die Unbestimmtheit des Raums, der Bildeinfall der voreinander, sich zum Teil verdeckenden Figuren wie auch die kontrastvolle Farbanlage genutzt werden; alle diese Gestaltungselemente ergänzen sich zu einem gesteigerten Gesamtausdruck der Komposition. Die eigentliche Zeichnung, ihre gelöste Linie, wie auch die getuschte Farbe erfahren eine eigentümliche Selbstständigkeit und Eigenwertigkeit, die zwar das Motiv konstituieren, aber künstlerisch eine unabhängige Dynamik entfalten. Otto Benesch fomulierte, daß die Farbe in Schieles Zeichnungen "trage", auch wenn sie später zugefügt sei, die "leuchtenden Zonen weißer Deckfarbe" verbreiteten eine "übersinnliche Leuchtkraft", eine "Aura von Licht, das von innen zu dringen scheint." (Otto Benesch, Egon Schiele als Zeichner, Wien, o. J. (um 1960), S. 7).
"Otto Benesch, durch seinen Vater mit den Arbeiten Egon Schieles seit seiner Jugend vertraut, hat Schiele einen der 'genialsten Zeichner aller Zeiten' genannt. Mit Recht: Das bildnerische Mittel, das sich Schiele zunächst schuf und mit dem er zuerst seine künstlerische Eigenart, ja Meisterschaft bewiesen hat, war die persönliche Linie. [...] Wie nicht bald einem anderen Graphiker ist es Schiele gelungen, - mit der Zeichnung allein - und hier oft nur mit Umrissen - sowohl Formsituationen als auch Emotionen mitzuteilen. Für den Zeichner Schiele steht die einzigartige Sonderstellung innerhalb des Expressionismus außer Frage." (Rudolf Leopold, Egon Schiele in: Serge Sabarsky, op. cit. S. 31)
Die dunkle Partnerin des Paares, die man nur als Rückenakt mit der Masse dunklen, gewellten Haares wahrnimmt, erinnert wie ein fernes Echo an vergleichbare erotische Aquarelle und ein Gemälde von 1911, die das Motiv des Mädchens mit schwarzem Haar vorstellen: "... the Black Girl series seems intentionally evasive: either he did not want to reveal his models identity, or he simply did not care. In any event, the black girl is not an entirely real creature, she is rather a vessel for Schiele's musings: a sort of angel of death in the large oil [Kallir P. 200; Leopold 187], an erotic icon in studies as 'Girl with Black Hair' [Kallir D. 858, Aquarell, Museum of Modern Art New York]." (Jane Kallir in: Ausst. Kat. Egon Schiele, National Gallery of Art, Washington 1994, S. 144, vgl. Abb. 77 und Farbtafel 70 bzw. vgl. Klaus Albrecht Schröder, Egon Schiele, Eros und Passion, München 1995, S. 44, 99, 101, jeweils mit Farbabb.)
Die menschliche, rein ausdrucksmäßige Komponente zeigt sich in dem für Schiele so bedeutenden Gestus, hier der rechtwinklig erhobene, ausgebreitete Arm, und in dem geneigten, fein ausgearbeiteten Antlitz des Mädchens mit dem gebrochenen Blick.

Certificate

Mit einer Echtheitsbestätigung von Jane Kallir, New York; die Arbeit, registriert unter der No. 881a, wird in den Supplement-Band des Werkverzeichnisses aufgenommen

Provenance

Ehemals Privatsammlung Berlin (Zwanziger Jahre); seitdem in Familienbesitz