Wassily Kandinsky - Kornhausten (Murnau, Herbst) - image-1

Lot 1065 Dα

Wassily Kandinsky - Kornhausten (Murnau, Herbst)

Auction 867 - overview Köln
04.12.2004, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 350.000 € - 400.000 €
Result: 499.800 € (incl. premium)

Wassily Kandinsky

Kornhausten (Murnau, Herbst)
1908

Öl auf Karton 32,5 x 44 cm Gerahmt. - Rückseitig mit grüner Tinte von fremder Hand bezeichnet "W. Kandinsky, 1908, Murnau". Mit zahlreichen Galerie- bzw. Ausstellungsaufklebern, darunter von Galerie Krugier, Genf ("Faisceaux de garbes, Murnau") und einem Inventaraufkleber der Bayerischen Staatsgemälde-Sammlungen mit der eingeschriebenen Nummer "L 889" und dem Eintrag "Kandinsky/Murnau Herbst 1908/09".

Die vorliegende Landschaft ist ein frühes Beispiel des Stilwechsels in den Werken Wassily Kandinskys, der sich 1908 vollzieht. Hatte Kandinsky in den Jahren zuvor, vom Impressionismus und Jugendstil beeinflußt, pointillistisch gemalt, stellt sich mit dem ersten längeren Arbeitsaufenthalt in Murnau am Staffelsee ein auffälliger und hochbedeutender Wechsel in seiner Arbeitsweise ein (vgl. etwa "Reitendes Paar" von 1906/1907, Roethel/Benjamin 180). Gemeinsam mit seiner früheren "Schülerin" aus der Münchener "Phalanx" Zeit, Gabriele Münter, hatte Kandinsky in den Jahren zuvor zahlreiche, ausgedehnte Reisen unternommen; zeitweise verfügte er nicht einmal über einen festen Wohnsitz . 1908 hatten sie beide die Landschaft um Murnau entdeckt, wo Münter dann 1909 ein einfach ausgestattetes Haus erwarb. Dort, im Spätsommer 1908, trafen sie sich mit ihren Freunden Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky, und von Mitte August bis Ende September enstehen zahlreiche Ansichten vom Ort und seiner Umgebung.
Das hier angebotene frühe Murnauer Werk zeichnet sich durch den Einsatz kräftiger Komplementärfarben aus, die beinahe unvermischt in breiten Strichlagen gesetzt sind. Ohne große Detailverliebtheit ist die Landschaft beschrieben und vermittelt eine Atmosphäre großer Ruhe. Lokalfarben weichen der Beschreibung von Licht und Schatten zur Erfassung der dem Landschaftsmotiv eigentümlichen Atmosphäre. So sind die wie abendlich verschatteten Heuhaufen in tiefes Violett getaucht - der Gebirgszug im Hintergrund in dunkle Blautöne gehüllt wie auch der kräftig grün gegebene Wiesengrund - in seinem Tonwert zu der hellen Hauswand des Gehöfts im rechten Mittelgrund korrespondierend - mit seinen blauen und lilafarbenen Schatteninseln die Unebenheiten des Bodens auslotet.
"Wer vom Murnauer Hügel auf das breit hingelagerte Moos schaut, steht vor einer Landschaft ohne tiefenperspektivische Fluchtpunkte; hintereinander gestaffelte Wiesen und Hügelketten erzeugen vielmehr eine horizontale Gliederung. Darüber versperrt der Querriegel des Wettersteinkammes den Fernblick. Trockene Fallwinde vertreiben jede dunstige Zwischentönung und lassen weiträumige Farbflächen unabgestuft zusammenstoßen. Dieses großlinige Panorama fordert eine von Einzeldingen abgelöste Zusammenschau geradezu heraus. Auch die Farben gewinnen in föhnharter Helle ihre besondere Qualität; sie scheinen aus sich heraus zu glühen, die Lichtquelle wird nebensächlich. Hintergrund und Vordergrund zeigen die gleiche Farbintensität, es gibt keine verschwimmende Ferne." (Gisela Kleine, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Frankfurt 1990, S. 320).
Mag der Wechsel in der künstlerischen Auffassung Kandinskys zum Teil auf diese in der veränderten Umgebung in Murnau erfahrenen optischen Phänomene zurück zu führen sein, herrscht dennoch - wie Bernd Fäthke es formuliert - "unter Fachleuten bis zum heutigen Tag noch immer ratloses Erstaunen über den plötzlichen Wandel in der Malweise von Kandinsky und Münter", so daß er den wechselseitigen Einfluß der neuen Künstlergemeinschaft mit Werefkin und Jawlensky - ihrerseits mit den Werken beispielsweise von Edvard Munch und der Schule von Pont Aven beschäftigt - als mögliches Schlüsselerlebnis für den wesentlichen stilistischen Umschwung zu bedenken gibt (Bernd Fäthke, Marianne Werefkin, München 2001, S. 118 ff.).

Catalogue Raisonné

Roethel/Benjamin 198

Provenance

Sammlung Alexander Strakosch, Schweiz; Kleeman Galleries, New York; Leonard Hutton Galleries, New York; Brook Street Gallery, London (vor 1969); Galerie Gunzenhauser, München; Rheinischer Privatbesitz

Literature

Will Grohmann, Wassily Kandinsky: Leben und Werk, Köln 1958, Katalog der Gemälde, Supplement S. 344 ("Kornhausten"); S. 397 mit Abb. 579

Exhibitions

New York 1957 (Kleeman Galleries), Nr. 27 mit Abb. (Aufkleber, "Murnau Harvest"); Rom/Mailand 1957/1958 (Palazzo delle esposizioni/Palazzo della permanente), Arte tedesca dal 1905 ad oggi, Nr. 119 (Aufkleber, "Murnau, autunno"); New York 1963 (Leonard Hutton Galleries), Der Blaue Reiter, Nr. 3 (Aufkleber "Stacks of Grain"); Berlin/Tübingen 1994/1995 (Brücke-Museum/Kunsthalle Tübingen), Wassily Kandinsky, seine frühen Jahre, Nr. 88 ("Murnau - Ernte") mit ganzseitiger Farbabb.