Willi Baumeister - Aru 3 - image-1

Lot 638 Dα

Willi Baumeister - Aru 3

Auction 877 - overview Köln
11.06.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 150.000 € - 180.000 €
Result: 226.100 € (incl. premium)

Willi Baumeister

Aru 3
1954

Öl mit Kunstharz auf Hartfaserplatte 81 x 100 cm Gerahmt. Unten rechts mit Graphitstift signiert und datiert 12.54 Baumeister, rückseitig zusätzlich signiert, datiert und beschriftet ARU 3 1954 81 x 100 Baumeister sowie unten links mit dem Stempel "atelier/willi baumeister" versehen. - Rückseitig mit mehreren Galerie- und Ausstellungsaufklebern (Kleemann Galleries, Marlborough), darunter auch der blaue Aufkleber des Stuttgarter Kunstkabinetts, R.N. Ketterer, Stuttgart, mit der handschriftlich eingeschriebenen Nummer "23".

Der Reihe der "Aru" Form-Metamorphosen ist die "Montaru"-Serie, die um 1953 einsetzt, im Werk Baumeisters verwandt. Im "Aru"-Komplex sind die Farben wie Formen noch stärker reduziert und über die zentrale Figur zu einheitlicher Wirkung gebracht. Sind die bei weitem bekanntesten und häufigsten ausgestellten Gemälde der Reihe, "Aru 2" (Margaret Baumeister; Nachlaß Baumeister) und "Aru 5" (Nationalgalerie Berlin) wie die anderen der 1955 entstandenen Folge Hochformate (s. auch Abb.), so präsentiert sich in dem früheren, hier vorliegenden Werk von 1954, das in einem zeitgenössischen Atelierfoto (s. Abb.) im Anschnittt dokumentiert ist, ein singuläres Querformat, so daß wieder ein anderer Blick auf die spezifische Monumentalität des Aufbaus erzielt ist.
Willi Baumeister ist in der Geschichte der Modernen, vor allem der deutschen Malerei nach 1945, fest verankert als der große Vorläufer und Vertreter abstrakter, ungegenständlicher Kunst. Er legte die Grundlagen für neue Sichtweisen und für ein gewandeltes Kunstverständnis, das er selber initierte und zu dem er den Betrachter immer wieder führen wollte, in dem er Anleitungen zur Bildbetrachtung und zum Sehen formulierte:
"Die abstrakten Formen können wirkliche Kräfte enthalten, bewahren oder aufnehmen. Sie sind Formkräfte, sie sind Kräfte. [...] Das Abstrakte ist geistiger als das Konkrete." (Baumeister im Juli 1950, zitiert nach: Ausst. Kat. Willi Baumeister, Kunstverein Braunschweig 1977, S. 56)
Es war Werner Haftmann, der, auf die Entwicklungsphasen von Baumeisters Malerei eingehend, einordnend feststellte:
"Das zentrale Ereignis ist, daß jetzt die gegenständlichen Ausgangspunkte grundsätzlich verlassen werden. Die Malfläche wird zur Schrifttafel, auf der im sinnenden Vollziehen des bildnerischen Äußerungswillens, der aus einer angeschlagenen inneren Bewegung zum Handeln will, Zeichen und Formen sich bilden, die jenen Zustand und jene Bewegung in bildnerischen Bericht verwandeln. [...] Es war diese Freiheit und die ihr zugrundeliegende Gewißheit im künstlerischen Handeln und Denken, die in den Jahren nach dem Kriege Baumeisters Kunst in Deutschland zu so exemplarischer Wirkung brachte.
Im großen Panorama der europäischen Kunst sieht man Baumeister gern in der Nachbarschaft von Léger, von Klee und Miró. [...] In seiner Kunst aber findet sich etwas, das ihr auch für's Allgemeine eine durchaus eigentümliche Bedeutung gibt, - und zwar für die Weise, in der sich der moderne Mensch in der Welt befindet. Was diese Weise auszeichnet, ist einmal die außerordentliche räumliche Dehnung unseres Bewußtseins, die bereits mit Selbstverständlichkeit über die Grenzen unserer Vorstellungskraft hinausgreift und das Ganz-Kleine und das Ganz-Große, den Mikro- und Makrokosmos, ganz in sich hineinnimmt. Dem entspricht eine gleiche Dehnung unseres zeitlichen Bewußtseins. [...] Hier gerade tritt Baumeister ein. Immer wieder stößt er in seiner Arbeit auf Quellgründe des Menschheitsgedächtnisses, auf uralte, verschüttete Formen, hebt sie aus der Latenz, in der sie unser wissenschaftlicher Geist beläßt, hervor und fügt sie unserem lebendigen Empfindungsbestand hinzu." (Ausst. Kat. Willi Baumeister, Wuppertal 1959, S. 10/11).

Catalogue Raisonné

Beye/F. Baumeister 2010

Provenance

Nachlaß Baumeister; Kleemann Galleries, New York; Marlborough Fine Art, London; Galleria Lorenzelli, Mailand; Privatbesitz Italien; ehemals rheinische Privatsammlung (seit ca.1970)

Literature

Will Grohmann, Willi Baumeister - Leben und Werk, Köln 1963, Nr. 1552 mit Abb.

Exhibitions

New York 1956 (Kleemann Galleries), Willi Baumeister, Nr. 10; New York 1961 (Marlborough Fine Art), Some Aspects of 20th Century Art, Nr. 2 mit Abb.; Mailand 1963 (Galleria Lorenzelli), Willi Baumeister, Nr. 16 mit Abb.; Berlin 1989 (Nationalgalerie SMPK), Willi Baumeister, S. 236, Nr. 116 mit Farbabb. S. 218