Lot 29 D

In einem 1979 geführten Gespräch zwischen Joseph Beuys, Heiner Bastian und Jeannot Simmen äußerte Beuys auf die Frage von Simmen: "Woher kommt dieser Antrieb zum Zeichnen, waren es bestimmte Erlebnisse gewesen?
Beuys: Nein, die Art des Antriebes ist doch die des Antriebes der Menschen überhaupt. Wie kommt ein Mensch beispielsweise dazu, sich für die Landwirtschaft zu interessieren. Damit verbinden sich bestimmte Erlebnisse, wie in jedem anderen Gebiet auch. Es liegt doch immer eine Intention im kreativen Bereich vor, die sich auf ein ganz wichtiges Anliegen im Leben der Menschen wirft und da auch ihr Tätigkeitsfeld findet. Bei mir ist das aber so, daß ich mir für viele Fragen unseres Lebens, für die Frage der Kunst und auch für die Frage der Wissenschaft den größten Erfolg versprochen habe, indem ich versuche, auf dem Papier eine Sprache zu entwickeln, die eine Anregung dazu gibt, Weitergehendes in die Diskussion zu bringen, mehr als nur das, was die gegenwärtige Zeitkultur an Wissenschaftlichkeit, an Kunstbegrifflichkeit und Sinnen darstellt. Ich gehe darüber hinaus: ich stelle Fragen, ich bringe Sprachformen aufs Papier, ich bringe auch Empfindungs-, Willens- und Denkformen aufs Papier und versuche damit eine Anregung zu geben. Ich will also stimulieren, ich will auch provozieren. Auch wenn gerade in den Zeichnungen der Provokationscharakter nicht sehr laut erscheint - ist er um so nachhaltiger. Meine Zeichnungen bilden für mich eine Art von Reservoir, woraus ich wichtige Antriebe erhalten kann. Es findet sich also in den Zeichnungen eine Art Grundmaterial, um daraus immer wieder etwas zu nehmen." (Joseph Beuys, in: Wenn sich keiner meldet, zeichne ich nicht, in: Joseph Beuys, Zeichnungen, Ausst.Kat. Museum Boymans-van Beuningen, Rotterdam, Nationalgalerie Berlin, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz, Kunsthalle Bielefeld und Wissenschaftszentrum Bonn, 1980, S. 31-32).