Lot 102 R

Die malerische Produktion Lyonel Feiningers in der amerikanischen Zeit nach der Rückkehr aus Deutschland ist bis in die 1950er Jahre hinein noch geprägt von deutschen Motiven, denen der Künstler die Treue hielt. Aus seinem reichen Fundus an Tagesskizzen wählte er Motive, die eine Kontinuität des Werkes und ein Fortschreiten in der Entwicklung seiner Malerei gewährleisteten. Aber es geht dem alternden Künstler längst nicht mehr um den Gegenstand an sich, auch nicht um eine gestische "peinture", sondern er stellt sich ein letztes Mal dem Problem aller Maler, der Farbe. Dabei bleibt ein graphisch-zeichnerisches Element in den Bildern betont, das den Kompositionen Festigkeit verleiht und ein Ausleben der Farbe ermöglicht.
"Die Zeichnung, als Gerüst der Kompositionen, markiert die Flächen, aus denen sich die Bilder zusammensetzen. Die Farbe, bislang Träger der Flächen und damit des Raumes, konnte sich nun verselbständigen. Sie gewann in dem Maße an Bedeutung, in dem sie der Atmosphäre der Bilder Ausdruck gab und damit die Zeichnung in ihrer Wirkung unterstützte." (Ulrich Luckhardt, Lyonel Feininger, München 1989, S. 48).
Auch "Town Hall of Cammin" (Rathaus von Cammin) ist ein solcher später Nachklang von Feiningers Deutschland-Motiven. Dem Dreiklang von wunderbar aufeinander abgestimmten zarten Türkis-, Orange- und Violettönen gesellt sich der helle Grundierungston der Leinwand in den unbemalten Flächen als das Kolorit auflockernde Farbe hinzu.