Otto Freundlich - Schiff im Sturm - image-1

Lot 90 D

Otto Freundlich - Schiff im Sturm

Auction 923 - overview Köln
28.05.2008, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 30.000 € - 35.000 €
Result: 45.600 € (incl. premium)

Otto Freundlich

Schiff im Sturm
1924

Pastell 64 x 49 cm monogrammiert - Rückseitig umlaufend alt auf Malpappe montiert

Zur vorliegenden Arbeit ist, wie häufig bei Freundlich, der seine Kompositionen auch als Wandteppich, Mosaik oder Glasfenster gestaltete, eine sog. "Farbplanskizze" in Bleistift mit eingeschriebenen Farbvaleurs auf Französisch erhalten (Heusinger von Waldegg 307, Abb. 284, heute im Archiv des Nachlasses); sie entspricht weitestgehend der Pastellausführung, variiert aber offenbar einige Details. - Auffällig ist an der vorliegenden Komposition der dramatische Kontrast von sehr differenzierten, fast chromatisch schattierten schwarzen und grauen Farbwerten zu den wenigen Buntfarben, die eine unglaublich strahlende Wirkung entfalten. Die gespannten Kurvaturen der Formen lassen hier noch - der Titel unterstreicht es - an ein großes Segel denken bzw. an die dynamische Entfaltung großer Elementarkräfte.
"Mit dem Mosaik 'Geburt des Menschen' [seit 1957 Foyer des Großen Hauses der Städt. Bühnen, Köln; Provenienz Joseph Feinhals] wird eine Werkphase eingeleitet, die etwa bis zur Übersiedlung Freundlichs nach Paris im Jahre 1924 dauert. Sie ist geprägt von einem allmählichen Übergang zur abstrakten Malerei. Wie bei dem Mosaik finden sich häufiger Mischformen aus gegenständlichen und abstrakten Formelementen. [...] Vornehmlich die zwischen 1919 und 1925 entstandenen farbigen Pastelle enthalten die neuen stilistischen Tendenzen. In der Farbgebung sind sie mit dem großen Mosaik vergleichbar. Das bunte Spektrum der simultanen Farbkontraste erinnert an Delaunays Orphismus, dessen Einfluß sich zwischen 1919-21 bei mehreren Künstlern der Novembergruppe, darunter Arthur Segal, dezidiert feststellen läßt. [...] Angeblich soll Guillaume Apollinaire Freundlich als 'peintre orphiste' tituliert haben. Günter Aust hat jedoch bereits auf gravierende Unterschiede zum Werk Delaunays hingewiesen, die insbesondere in der Abweichung vom kontinuierlich angewandten Simultankontrast zugunsten von Hell-Dunkel-Werten zu beobachten sind. [...] Die Unterschiede dokumentieren sich besonders in farbintensiven Pastellen Freundlichs mit geometrisierenden Formen, von denen einige, 1924/1925 in Paris entstandene, zu den Höhepunkten in Freundlichs Werk zu zählen sind. Im Herbst 1924 kehrt Freundlich nach Paris zurück. Um die Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen gibt er beim Pariser Magistrat als Beruf 'Glasmaler' an. [...] Die künstlerische Situation in Paris, auf die Freundlich 1924 traf, war der abstrakten Kunst keineswegs besonders förderlich gewesen. Neben den Tendenzen eines gegenständlichen Neoklassizismus wie ihn etwa Picasso vertrat, beherrschte vor allem der Surrealismus verschiedener Spielarten in den späten zwanziger Jahren das Bild der offiziellen Ausstellungen und der Mode bis zur Schaufensterdekoration. Die Abstrakten lagen eher in der Defensive, scharten sich um den rührigen Initiator Michel Seuphor, der 1923 nach Paris gekommen war. In den Salons des Indépendants und des Surindépendants, in denen Freundlich regelmäßig ausstellte, fanden die Abstrakten eine Enklave. Auguste Herbin, Mondrian, Kupka und Vantongerloo arbeiteten zurückgezogen in Paris an unterschiedlichen konstruktivistischen Konzepten." (Joachim Heusinger von Waldegg, Otto Freundlich - Leben und Werk, Bonn 1978, S. 26 ff.)

Provenance

Privatsammlung Rheinland

Exhibitions

Bonn/Braunschweig/Berlin 1978/1979 (Rhein. Landesmuseum/Kunstverein Braunschweig/Neuer Berliner Kunstverein), Otto Freundlich, Kat. Nr. 232, mit Abb. S. 228 (mit rückseitigem Rahmenaufkleber)