Die Preußen kommen
Aus der Mai 2020-Ausgabe der Weltkunst: Bei der Preußen-Auktion von Lempertz am 16. Mai in Berlin begeistern kunsthandwerkliche Meisterstücke aus der Zeit der Hohenzollern: von Tapisserie über Silber und Möbel bis Porzellan.
Die Preußen kommen
von Lisa Zeitz
Friedrich II. ist als musischer Mensch in die Geschichte eingegangen: Wer hat nicht Adolph Menzels Gemälde vor Augen, auf dem der Preußenkönig im Kerzenschein Querflöte spielt? Er ließ das Opernhaus Unter den Linden erbauen, entwarf die Architektur für Schloss Sanssouci in Potsdam und sammelte historische und zeitgenössische Skulpturen und Gemälde. Nicht jeder weiß, dass er sich auch mit Porzellan beschäftigte.
Kurz nach Ende des Siebenjährigen Kriegs gab Friedrich II. bei der Meissener Manufaktur ein wahrhaft königliches Service in Auftrag, das rund 60 Gedecke und reichen figürlichen Tafelschmuck umfasste. Lempertz zitiert im aktuellen Auktionskatalog Johann Joachim Kaendlers Arbeitsbericht vom November 1763. Dieser zeigt, wie intensiv Friedrich II. sich in die Details seiner Bestellung vertieft hat: „Erstlich verlangen Ihro Konigl. Majt. eine ganz neuen Taffel Service mit Antiquen hangenden Vestunen“. Damit sind Festons, also Gehänge gemeint, „welche an d’amours Köpfgen angeknüpfet und flach erhaben seyn, worzu Ihro Königl. Majt. eine eigenhändige Zeichnung gegeben.“
Die Porzellanmalerei sah eine ganze Reihe an Blumen vor, von Mohn und Nelken über Hyazinthen und Tulpen: „wobey Ihro Königl. Majth. gnädigst angeordnet, daß niemahls auf einem Teller oder Schüßel mehr als nur 2 Blumen gemahlet, und solchergestalt proportinierlich und mit Überlegung angebracht werden sollen, daß die couleuren nicht einander zuwieder fallen“. Zu den wenigen bekannten Teilen aus dem Service gehören eine Bratenschale im Krefelder Kaiser Wilhelm Museum und zwei Wärmeglocken im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Einer von ursprünglich 240 flachen Speisetellern befindet sich in der berühmten Porzellansammlung in Dresden.
Ein vollständiges königliches Service
Von den acht damals für das Service produzierten Tafelleuchtern war bisher nur einer in unvollständigem Zustand bekannt. Jetzt kommt bei Lempertz ein vollständiges Exemplar zum Aufruf. Der knapp dreißig Zentimeter hohe, zweiflammige Kandelaber aus dem Vestunen-Service Friedrichs II. – Modell von Johann Joachim Kaendler – trägt eine Schätzung von 16 000 bis 20 000 Euro. Die Leuchterarme werden von einem Messingzapfen gehalten. Frühlingshaft wirkt der zartfarbige Emaildekor auf den plastischen Ästen und Blüten. Kein Wunder, dass der König von Preußen die „schleunige Verfertigung“ seiner schönen Stücke damals ausdrücklich „ernstlich begehrte“.
Auch Möbel und Silber aus der Zeit Friedrichs II. bereichern das Angebot. Aus seinem Besitz stammt ein auf 14 000 bis 16 000 Euro geschätzter silberner Leuchter, den Christian Lieberkühn der Jüngere kurz vor der Mitte des 18. Jahrhunderts schuf. Unter den vier angebotenen Möbelstücken der Ebenisten Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler, den Halbbrüdern aus Bayreuth, ragt besonders eine museale, mit Intarsien reich verzierte Kommode mit feuervergoldeten Bronzebeschlägen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts heraus. Sie soll 80 000 bis 100 000 Euro einspielen.
Begehrlichkeiten wecken außerdem eine bedeutende klassizistische Marmorschale aus Norditalien, vielleicht nach Entwurf von Karl Friedrich Schinkel (Taxe 30 000 bis 40 000 Euro), ein Nachtlicht in Vasenform, KPM, um 1810, geschätzt auf 25 000 bis 35 000 Euro, und eine Tapisserie, die wohl vor 1745 in der Berliner Manufaktur Charles Vigne entstand und mit der Darstellung eines höfischen Liebespaars in einer Flusslandschaft ein Motiv von Watteau aufgreift (15 000 bis 20 000 Euro).
Berliner Porzellangechichte
Geschäftsführer Kilian Jay von Seldeneck weist darauf hin, dass Lempertz im Nikolaiviertel in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mühlendamm liegt. Dort wurden vor rund dreihundert Jahren in der Manufaktur von Gerhard Wolbeer Fayencen hergestellt, von denen er jetzt einige besonders schöne Exemplare versteigert. Man versuchte um 1700 in Berlin, „Delftisches Porcellain“ herzustellen, das wiederum chinesischem Porzellan nachgeahmt war. Im Lauf des 18. Jahrhunderts entwickelten der Berliner Fayencemeister Gerhard Wolbeer und sein Schüler Cornelius Funke immer mehr ihren eigenen Stil in Formen, Dekors und Farben. Um 1705 wurde der auf 8000 bis 10 000 Euro geschätzte barocke Orangenkübel mit dem Wappen der Familie von Morenthal in der Manufaktur von Gerhard Wolbeer gebrannt.
Schöne Stücke aus Wien
Einen eigenen Katalog widmet Lempertz Wiener Porzellanen. Darunter ist ein Teller mit Ansicht des Stephansdoms in farbigem Aufglasurdekor und radiertem Goldfond aus der Kaiserlichen Manufaktur in Wien, 1816 unter Matthias Niedermayer gefertigt, der aus einer Kopenhagener Privatsammlung stammt und nun Erwartungen von 8000 bis 10 000 Euro weckt. Verschiedene Tassen sind mit Motiven nach Gemälden der polyglotten Künstlerin Angelika Kauffmann verziert: Anton Kothgasser malte ihre „Entwaffnung des Amor“ im Jahr 1804 auf eine Tasse, die jetzt zusammen mit der Untertasse auf 3000 bis 4000 Euro geschätzt ist.
Wie elegant Gold und Violett zusammen wirken, beweist ein sechsteiliges Dejeuner mit Grisaillen aus den 1760er-Jahren zur Taxe von 6000 bis 8000 Euro. Spitzenlos des Porzellankatalogs ist ein Tondo mit ungewöhnlichem Thema: „Zeus wird von Hera auf dem Berg Ida eingeschläfert“. Johann Weichselbaum, Obermaler der Historienmalerei in der Kaiserlichen Manufaktur, brachte das Motiv von Andries Cornelis Lens – das Gemälde gehört dem Kunsthistorischen Museum in Wien – 1808 auf die Porzellanplatte. Geschätzt ist sie auf 20 000 bis 30 000 Euro.