Max Beckmann - Der Raucher (Selbstbildnis) - image-1

Lot 627 Dα

Max Beckmann - Der Raucher (Selbstbildnis)

Auction 882 - overview Köln
03.12.2005, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 40.000 € - 45.000 €
Result: 102.340 € (incl. premium)

Max Beckmann

Der Raucher (Selbstbildnis)
1916

Original-Radierung (Kaltnadel) auf Van Gelder-Bütten 18 x 12,6 cm (41,5 x 26,5 cm) Signiert und datiert. Exemplar 20/20. Verlag Paul Cassirer, Berlin 1918. - - Sehr schöner, gratiger Abzug.

Am 27. Dezember 1950 verließ Max Beckmann kurz nach 10 Uhr seine New Yorker Wohnung, 38 West 69th Street, Ecke Broadway, um „American Painting Today“, eine Ausstellung im Metropolitan Museum of Art, anzuschauen. Obwohl erst seit August 1947 in Amerika wohnhaft, hing in der Ausstellung auch ein Bild von ihm, „Selbstbildnis in blauer Jacke“. Ungefähr auf halbem Wege, Ecke 61st Street und Central Park West, brach er tot zusammen, totales Herzversagen. Wie man sagt, ging es wohl „schnell“, vermutlich aber nicht ohne schreckliche Qualen. Ab Juni 1942 werden Herzbeschwerden in seinem Tagebuch erwähnt. Meist wurden diese Wehen und Schwächeanfälle stichwortartig als "Peki" (für "Angina Pectoris") notiert. Ohne Zweifel war dieses Umbenennen eine Art von Verdrängung, Hoffnung, durch einen verniedlichenden Spitznamen die Ernsthaftigkeit der Symptome verschleiern zu können.
Der Raucher: Die vor seinem Kopf schwebenden Rauchringe in diesem Selbstbildnis sind beeindruckend. Sie sind enorm groß, perfekt in der Form, das meisterliche Resultat geübten Könnens. Am 11. September 1903 notiert Beckmann in sein Tagebuch: „Nachmittag am Ende wo es schon dunkel wird: Ich blase langsam und geniessend den Rauch meiner Cigarette vor mich hin. Ab und zu forme ich ihn zu einem Ringe. Und sehe diesem dann ernsthaft nach.“ (zit. nach James Hofmaier, Max Beckmann, Catalogue raisonné of his Prints, Bd. I, Bern 1990, S. 260). Die Fähigkeit dazu wurde bereits, bevor der Künstler überhaupt anfing, Zigarren und Zigaretten zu „konsumieren“, schon erprobt. In einem seiner frühesten Selbstporträts, im Alter von wohl sechzehn Jahren, sitzt er im Profil und bewundert die Seifenblasen, die er mit einer Meerschaumpfeife gerade erzeugt hat. (Erhard und Barbara Göpel, Max Beckmann, Katalog der Gemälde, Bern 1976, Kat. Nr. 3 mit Abb.). Am Anfang war es alles sehr harmlos.
Die Selbstbildnisse von Max Beckmann gehören zu den ergreifendesten, die je gezeichnet oder gemalt wurden. Es gibt einige, die in ihrer Kühnheit überwältigend sind, zum Beispiel das 1927 entstandene „Selbstbildnis im Smoking“ (Göpel 274, Busch-Reisinger Museum, Harvard University, Cambridge, Massachusetts). Auf der Mehrzahl dieser Bilder hält Beckmann eine Zigarre oder Zigarette in der Hand oder im Mund. Wenn man an Beckmann denkt, dann auch an sein Rauchen, genau so wie bei Picasso; die meisten der zahlreichen Porträtphotos des Spaniers zeigen ihn mit einer Zigarette.
Es ist noch nicht so lange her, dass auch in dem Haushalt eines Nichtrauchers Aschenbecher nötiger Bestandteil des Inventars waren; wenn man selbst nicht rauchte, gehörte es trotzdem zum guten Ton, für die Annehmlichkeiten eines jeden Gastes zu sorgen. Inzwischen sind die Gefahren des Rauchens wissenschaftlich bewiesen und allgemein anerkannt. Auch für einen Raucher sind die Risiken nicht zu leugnen, auf jeder Packung werden sie in großer Schrift proklamiert. Inwieweit sich Beckmann der gesundheitlichen Schädigung durch sein Rauchen bewusst war, ist ungewiß. Eintragungen in seinem Tagebuch, wie zum Bespiel „Rauche wieder“ am 6. Mai 1944, beweisen, dass er gelegentlich versuchte, es aufzugeben. Als er starb, war der Künstler erst 66 Jahre. Es ist eindeutig, dass das Rauchen sein Leben wesentlich verkürzte. Schade, nicht nur für ihn.

Catalogue Raisonné

98 II B Hofmaier