Fragen an Sonja Brass
Anlässlich unserer bevorstehenden Versteigerung zeitgenössischer Kunst lempertz:projects: ein Interview mit der Photographin Sonja Brass...
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
SB: Schon sehr früh durch meinen Vater, der malte und meine Schwester und mich in den Prozess mit einbezog. Wir gingen auch sehr häufig zu Museen und Galerien und diskutierten danach über die Ausstellungen.
Wie sehr sind Ihre Arbeiten durch Ihre Lehrer bzw. Ihr Umfeld geprägt?
SB: Immer durch mein Umfeld, sowohl das alltägliche als auch das künstlerische. In New York zu leben bedeutet den Zugang zu einer unglaublichen Vielfalt von visuellen und intellektuellen Anstößen zu haben.
Welche Künstler und/oder Kunstwerke haben Sie geprägt oder beeindruckt?
SB: Eine große Bandbreite verschiedener Medien und Künstlern, von denen ich denke, dass sie etwas neu gesehen oder künstlerisch ausgedrückt haben. Zu den bekannteren Künstlern in der Fotografie reicht dies z.B. von Lewis Baltz oder Stephen Shore und anderen Künstlern der New Topographics zu den "Snapshots" von William Eggleston und Boris Mikhailov zu den inszenierten Arbeiten von Cindy Sherman und Jeff Wall oder den durch ihre Leichtigkeit beeindruckenden Arbeiten von Rinko Kawauchi.
Ich bin in meinen Serien immer an der Entstehung von Wahrnehmung interessiert ...
Wie würden Sie die Kunst, die Sie machen, beschreiben?
SB: Ich bin in meinen Serien immer an der Entstehung von Wahrnehmung interessiert und an deren Ursachen und Konsequenzen. Mein Fokus liegt dabei besonders auf der Rolle von Bildern und insbesondere Fotografien, an der Formung von Vorstellungen und Sichtweisen. Fotografie interessiert mich als Medium wegen ihrer inhärenten, scheinbaren Abhängigkeit von Realität und der damit verbundenen Suggestion von Direktheit und Authentizität, verstärkt auch durch die breite und ständige Nutzung und damit Allgegenwärtigkeit des Mediums. Viele meiner Bilder basieren auf Modellen, die ich baue (physisch, nicht digital); der Glaube an das Bild erlaubt es mir dabei, eine emotionale Reaktion beim Betrachter zu erzeugen, und diese dann wieder zu brechen durch die graduelle Erkenntnis, dass manche Bilder nicht auf der erwarteten Realität basieren; das Bild wird an sich und losgelöst von der ursprünglichen Erwartung gesehen. Der Zweifel am Bild und an seiner eigenen Wahrnehmung überträgt sich dabei auch auf die Bilder innerhalb einer Serie, die nicht auf Modellen basieren (bei den Serien Forces und You are Here).
Mein Fokus liegt besonders auf der Rolle von Bildern ...
Wo finden Sie Inspiration?
SB: In den Wahrnehmungsabläufen des täglichen Lebens, die ich an mir selber oder in meiner Umgebung beobachte.
Aus welchen Gründen wählen Sie die Technik mit der Sie arbeiten? Sehen Sie für sich bestimmte Vorteile des Medium bzw. wie definieren sich Ihre Arbeitsschritte?
SB: Der Glaube an das fotografierte Bild, auch in Zeiten der allgemein bewussten Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit digitaler Manipulation, erlaubt mir einen direkteren Umgang mit der Wahrnehmung und Emotionen des Betrachters; das Bauen und Fotografieren von Modellen ermöglicht das Unterbrechen und die Bewusstmachung von Wahrnehmungsvorgängen.
Der ursprünglichen Idee zu einer Arbeit folgt eine Zeit des Recherchierens - zu dem Thema zu lesen, Bilder und Filme zu sammeln und anzusehen. Ich mache dann Skizzen und Zeichnungen, die die Serie für mich illustrieren, bevor ich die eigentlichen Bilder fotografiere bzw. im Fall der "künstlichen" Bildern zunächst als Modelle baue und dann fotografiere. Bei der Serie You are Here (1997-2000) habe ich die Bilder künstlicher Natur noch nicht gebaut, sondern sie in Zoos, Botanischen Gärten und Naturhistorischen Museen fotografiert. Die "realen" Bilder entstanden in Island, Schweiz, Australien und den USA.
Wie sieht Ihre Ateliersituation aus?
SB: Ich arbeite und wohne am gleichen Ort, was es mir ermöglicht, zu jedem Zeitpunkt an einer Idee zu arbeiten, ohne erst in ein Studio gehen zu müssen.
Der Glaube an das Bild erlaubt es mir dabei eine emotionale Reaktion beim Betrachter zu erzeugen.
Welche war für Sie die wichtigste Ausstellung 2016?
SB: Die Ausstellung Magical Surfaces: The Uncanny in Contemporary Photography in der Parasol Unit Foundation in London (mit u.a. Stephen Shore, Joel Sternfeld und Elger Esser) und die Einzelausstellung Sonja Braas, A Survey bei Galerie Tanit, München die sowohl meine aktuelle Arbeit An Abundance of Caution zeigte, als auch einen Ein- blick in frühere Arbeiten gab.
Welches war das erste Kunstwerk, dass Sie verkauft haben?
SB: Bilder aus der Serie You are Here an die Sammlung der DG Bank (jetzt DZ Bank), nachdem ich 1999 das DG Bank Stipendium erhielt.
Sammeln Sie selber Kunst? Welches war das erste Kunstwerk, dass Sie gekauft haben?
SB: Ich sammle selber Kunst - Malerei und Fotografie; das erste Bild war ein Bild des amerikanischen Malers Glenn Pizer.
Stehen Ausstellungen oder Projekte für dieses oder nächstes Jahr an?
SB: Meine Projekte dauern immer mehrere Jahre. Momentan arbeite ich daran, meine in 2013 begonnene Serie An Abundance of Caution fertigzustellen. Die Serie befasst sich mit einer von allumfassenden und allgegenwärtigen Ängsten geprägten Wahrnehmung, die sich besonders in den letzten Jahren entwickelt hat und geschürt wurde, und jetzt konkrete Konsequenzen zeigt.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
SB: Weiterhin künstlerisch arbeitend.
lempertz:projects
Die Werke von Sonja Brass werden im Rahmen unserer Auktion lempertz:projects versteigert.
lempertz:projects ist ein neues Auktionsformat; 2017 wird es zum ersten Mal stattfinden und als Sonderauktion unser diesjähriges Auktionsangebot zeitgenössischer Kunst verstärken.