Kurt Schwitters - Relief mit gelbem Viereck 2 (Merz-Relief mit schrägem Gelb) - image-1

Lot 1328 Dα

Kurt Schwitters - Relief mit gelbem Viereck 2 (Merz-Relief mit schrägem Gelb)

Auction 867 - overview Köln
04.12.2004, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 800.000 € - 1.000.000 €
Result: 1.428.000 € (incl. premium)

Kurt Schwitters

Relief mit gelbem Viereck 2 (Merz-Relief mit schrägem Gelb)
1928

Relief. Öl, Gips, Holz und Metall auf Holz, genagelt 65 x 46,4 x 18 cm, in Acryl-Kastenrahmung 100,3 x 83 x 23,5 cm Unten rechts in Rot monogrammiert und datiert KS 28 sowie rückseitig mit Bleistift bzw. Farbstift (z.T. schwer leserlich) signiert, datiert, betitelt und mit der Adresse versehen Kurt Schwitters 2/ Lysaker pr. Oslo Fagerhoiveien 22/ Relief mit gelbem Viereck 1928/ [...] Preis 1938 600 Kr./Heslahotell, Gol [...] 7 Kr. Rückseitig auf der Holzplatte mit einem maschinenschriftlich ausgefüllten Eigentumsaufkleber von Ernst Schwitters mit der handschriftlich eingetragenen Nr. "32" und zahlreichen Ausstellungs- und Galerieaufklebern versehen.

Die vorliegende Arbeit ist nach Orchard und der vorhandenen Quellenlage höchstwahrscheinlich identisch mit dem unter dem Titel "Merz-Relief mit schrägem Gelb" in Berlin 1926 ausgestellten Objekt, "möglicherweise handelt es sich [...] um eine spätere Überarbeitung des Künstlers mit einer Neudatierung auf 1928" (Karin Orchard/Isabel Schulz, Kurt Schwitters, Cat. Rais. Bd. 2, S. 241). Ernst Schwitters war davon ausgegangen, daß "das Werk eine zweite, nahezu identische Version des [verschollenen] 'Relief mit gelbem Viereck/Merz-Relief mit schrägem Gelb' von 1924 [Orchard/Schulz 1213]" ist, "die Kurt Schwitters nach dem Verkauf der ersten Version in der 'Großen Merzausstellung' von 1927 angefertigt haben soll, was jedoch durch keine Quelle belegt ist." (Orchard/Schulz, op. cit.)
Schwitters erste Collagen und Materialassemblagen entstehen 1918, über sie definiert er den Begriff "Merz", den er für seine Schöpfungen und seinen Kunstbegriff erfindet. 1919 werden in der Galerie "Der Sturm" in Berlin erste "Merzbilder" ausgestellt und in der gleichnamigen Zeitschrift erscheint sein berühmter programmatischer Artikel "Die Merzmalerei", in der er postuliert: "Das Wort Merz bedeutet wesentlich die Zusammenfassung aller erdenklichen Materialien für künstlerische Zwecke und technisch die prinzipiell gleiche Wertung der einzelnen Materialien. Die Merzmalerei bedient sich also nicht nur der Farbe und der Leinwand, des Pinsels, der Palette, sondern aller vom Auge wahrnehmbarer Materialien und aller erforderlichen Werkzeuge. Dabei ist es unwesentlich, ob die verwendeten Materialien schon für irgend welchen Zweck geformt waren oder nicht. Das Kinderwagenrad, das Drahtnetz, der Bindfaden und die Watte sind der Farbe gleichberechtigte Faktoren. Der Künstler schafft durch Wahl, Verteilung und Entformung der Materialien." (zit. nach: Ausst. Kat. Kunstmuseum Basel 2004, op. cit., S. 233/234). In diesen Jahren nach dem 1. Weltkrieg verknüpfen sich seine eigenen Bestrebungen mit den Bewegungen der internationalen Avantgarde, mit Dada, mit den aufkeimenden konstruktivistischen und abstrakten Tendenzen, an denen Schwitters unmittelbar partizipiert. Seit der Begegnung mit El Lissitzky und den Werken russischer Konstruktivisten in der "Ersten Russischen Kunstausstellung" in der Galerie van Diemen in Berlin 1922, setzt Schwitters sich mit diesen Tendenzen aktiv auseinander und beginnt wenig später seine freie architektonische, raumgreifende Phantasie, den "Merzbau", in seinem Haus in Hannover (1943 zerstört). Es entstehen erste Reliefs und "konstruktivistische" Arbeiten, ohne daß er sich von den einzelnen Bewegungen innerhalb des internationalen Konstruktivismus, die er beobachtet, unterstützt und an denen er teilhat, direkt vereinnahmen ließe. Wie es Schwitters Freund und enger Weggenosse Hans Arp im Rückblick formulierte:
"Bis zum Jahre 1920 war uns nicht bewußt, welche Wichtigkeit unseren Versuchen beizumessen sei. Als wir die ersten internationalen Zeitschriften nach dem Ende des Krieges zu Gesicht bekamen, waren wir nicht wenig erstaunt, daß in der übrigen Welt ähnliche Versuche angestellt worden waren. Wir bewunderten besonders Werke Mondrians und van Doesburgs und freuten uns über ihren Einfluß auf die holländische und internationale zeitgenössische Malerei. Daß aber jeder, der ein Quadrat gezeichnet hatte, in ein euphoristisches Geschrei ausbrechen mußte, mutete uns spaßig an. Dennoch entschlossen wir uns, unsere Quadrate beim Patentamt anzumelden. Unsere Gestaltungen waren aber in wesentlich anderer Absicht entstanden als die der meisten Konstruktivisten. Uns schwebten Meditationstafeln, Mandalas, Wegweiser vor. Unsere Wegweiser sollten in die Weite, in die Tiefe, in die Unendlichkeit zeigen." (Hans Arp, 1955, zit. nach Ausst. Kat. Basel 2004, S. 78).
Die ästhetisch so gereift und geradezu klassisch wirkende Komposition "Relief mit gelbem Viereck" bzw. (etwas ironischer:) "Merz-Relief mit schrägem Gelb" mag als ein solcher, künstlerischer "Wegweiser" begriffen werden.

Catalogue Raisonné

Orchard/Schulz 1529; vgl. 1213 (möglicherweise identisch mit vorliegendem Werk)

Certificate

Mit einer Fotobestätigung von Ernst Schwitters, dem Sohn des Künstlers, vom 29.11.1977

Provenance

Nachlaß des Künstlers, Ernst Schwitters, Lysaker; Marlborough Fine Art, London/Vaduz (Kommission 1971-1977); Galerie Gmurzynska, Köln (1977); Privatsammlung Atlanta USA

Literature

Werner Schmalenbach, Kurt Schwitters, Köln 1967/1984, mit Abb. 129 ("Relief mit gelbem Viereck-2"); William Feaver, Schwitters, in: Art International, Bd. XVI, Heft 8 (Oktober), 1972, S. 29-31 mit Abb. S. 29; Arta Jacoba A. N. Valstar, "die abstrakten hannover", Bonn 1987, mit Abb. 76; Itzhak Goldberg, La magie Schwitters, in: Beaux Arts Magazine, Heft 129 (Dezember), Paris 1994, mit Farbabb. S. 89; Gabriele Mahn, Merz et les autres, in: Beaux Arts Magazine, Paris 1994 (Sonderheft zur Ausstellung Paris 1994), S. 40 - 55, mit Farbabb. S. 51

Exhibitions

Berlin 1926 (Landesaussellungsgebäude Lehrter Bahnhof), Große Berliner Kunstausstellung. Farbige Raumkunst, Kat. Nr. 1797 ("Merz-Relief mit schrägem Gelb"); Wanderausstellung u.a. Wiesbaden/Bochum/Barmen 1927 (Nassauischer Kunstverein, Neues Museum/Städtische Gemäldegalerie/Ruhmeshalle), Große Merzausstellung 1927, Kat. Nr. 22; Wiesbaden (Nassauischer Kunstverein) März 1927, Kat. Nr. 162 (?); Zürich/München 1929 (Kunsthaus Zürich/Graph. Kabinett, Galerie I.B. Neumann und Guenther Franke), Abstrakte und surrealistische Malerei und Plastik/Wege abstrakter Malerei, Kat. Nr. 121 ("Merz-Relief mit schrägem Gelb"); Hannover 1931 (Kunstverein Hannover), Herbstausstellung Hannoverscher Künstler), Kat. Nr. 379; Hannover/Bern/Amsterdam/Brüssel 1956 (Kestner-Gesellschaft/ Kunsthalle Bern/ Stedelijk Museum/ Palais des Beaux-Arts), "Kurt Schwitters, Hans Arp" bzw. "Kurt Schwitters", Nr. 58 (Hannover) bzw. Kat. Nr. 108 (Bern), Kat. Nr. 52 (Amsterdam) und Kat. Nr. 72 (Brüssel); Düsseldorf/Berlin/Stuttgart/Basel/Hamburg 1971 (Städtische Kunsthalle/Akademie der Künste/Staatsgalerie/Kunsthalle/Kunstverein), Kurt Schwitters, S. 35, Nr. 161; London 1972 (Marlborough Fine Art), Kurt Schwitters, Kat. Nr. 39 mit Abb. S. 58; Zürich 1972/1973 (Marlborough Galerie), Kurt Schwitters, Nr. 31; New York 1973 (Marlborough Gallery), Kurt Schwitters, Abb. S. 58, Kat. Nr. 39; Köln 1977 (Galerie Gmurzynska), Zu Gast bei Käthe Steinitz, mit Abb. o.S., o. Nr.; Köln 1978 (Galerie Gmurzynska), Kurt Schwitters, S. 70 Nr. 32; New York 1979 (Solomon R. Guggenheim Museum), The Planar Dimension. Europe 1912-1932, S. 115, Kat. Nr. 80; Paris/Valencia/Grenoble 1994/1995 (Centre Georges Pompidou/ IVAM Centre Julio González/Musée de Grenoble), Kurt Schwitters, o. Nr. S. 379, mit Farbabb. S. 231 bwz. Valencia 1995, o. Nr. S. 443, mit Farbabb. S. 261; Heerlen 1997 (Stadsgalerij Herrlen), Kurt Schwitters in Nederland. Merz, De Stijl + Holland Dada, Kat. Nr. 30 mit Farbabb. S. 72; Basel 2004 (Kunstmuseum), "schwitters_arp", Kat. Nr. 124 mit Farbabb. S. 90
Museale Leihgabe in den Brandenburgischen Kunstsammlungen Cottbus, Museum für zeitgenössische Kunst, Fotografie, Plakat und Design, Cottbus sowie im Museum für Konkrete Kunst, Sammlung Kunst + Design, Ingolstadt (1997)