Lot 788 D

"Je mehr man sich von der Natur entfernen kann und doch natürlich bleiben, um so größer ist die Kunst".
"Dem Genie ist es vergönnt, tausend Dinge nicht zu wissen, die jeder Schulknabe weiß. Nicht der erworbene Vorrat seines Gedächtnisses, sondern das, was er aus seinem eigenen Gefühl hervorzubringen vermag, macht seinen Reichtum aus."
Diese Worte Emil Noldes (zitiert nach Max Sauerlandt, Emil Nolde, München 1921, S. 10) entsprechen der Zola'schen Maxime "Le grand homme n'a besoin que de s'exercer, il porte son chef d'oeuvre en lui" und drücken wunderbar Wesen und Intention gerade dieses deutschen Expressionisten aus. Denn er ergänzte:
"Die Bücher von Homer und Dante liegen mir so ganz weit fern, als etwas, das ich nicht besitze [...] Die Kunst des Malens ist keine Gedankenarbeit, sie ist ein Wirken der Sinne. Sie geht von Auge zu Auge." (op. zit. S. 38).
Emil Nolde hat uns dank dieser Erkenntnis einen unglaublichen Reichtum an Naturbildern hinterlassen, zu deren differenziertesten, sinnlichsten und farbenprächtigsten seine Blumenaquarelle gehören. Selbst in den kleinsten Formaten vermitteln sie noch etwas von der Freude des Malers am Schauen und Gestalten dieser Wunder der Natur, die uns durch ihren Formen- und Farbenreichtum bezaubern. Mit äußerster Ökonomie, ohne irgendeine Vorzeichnung und allzu große Detailfreudigkeit, sind die leuchtenden Blüten und Blätter sowohl kompositionell wie auch koloristisch zueinander fein abgestimmt auf das Papier gesetzt und ergeben so einen lebendigen Widerschein der Welt, der wirklich "von Auge zu Auge geht".