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Lot 1332 Dα

Claude-Joseph Vernet - LES BAIGNEUSES (Die Badenden)

Auction 909 - overview Köln
17.11.2007, 00:00 - Alte Kunst
Estimate: 450.000 € - 600.000 €
Result: 744.000 € (incl. premium)

Claude-Joseph Vernet

LES BAIGNEUSES (Die Badenden)

Öl auf Leinwand (doubliert). 66,5 x 82,5 cm.
Signiert und datiert unten links: J. Vernet. f 1759.

„Welches Wasser, welcher Himmel, welche Wahrheit, welche Magie, welcher Effekt!“ So enthusiastisch feierte Denis Diderot die Malerei Claude-Joseph Vernets. Das Gemälde „Les Baigneuses“, das junge Frauen beim Baden in einer Bucht darstellt, vermag die Begeisterung des französischen Philosophen zu erklären. Es wurde gemeinsam mit einem Pendant („Lever de soleil dans un brouillard“, Verbleib unbekannt) 1753 vom Marseiller Kaufmann Poulhariez in Auftrag gegeben und 1759 fertig gestellt („Pour M. Poulhariez negttt a Marseille deux tableaux reppresentent des marines ou il ait aussi un peu de paysage et des sujets gracieux comme un lever et un coucher du soleil…“; vgl. Lagrange, op. cit., S. 337).
Das Werk wechselte noch vor der Revolution mehrmals den Besitzer und gelangte dabei in höchst bedeutende Sammlungen: Der Duc de Choiseul, Staatsmann und Kunstberater Madame de Pompadours, zählte ebenso zu den Besitzern wie Louis Francois de Bourbon, Prince de Conti, ein Vetter Ludwigs XV. und leidenschaftlicher Kunstsammler, dessen berühmte Kollektion in Paris über 1000 Kunstwerke umfasste. Nach der Revolution gelangte das Gemälde nach England, wo es lange verblieb.
Die Jahre, in denen „Les Baigneuses“ entstand, stellten eine entscheidende Zeit in der künstlerischen Entwicklung Vernets dar. Kurz vor der Auftragsvergabe durch Poulhariez war Vernet von einem langjährigen Aufenthalt in Italien zurückgekehrt, der ihn entscheidend geprägt hatte. 1755 erhielt er den bedeutenden Auftrag, die 24 wichtigsten Häfen Frankreichs für Ludwig XV. zu malen. Als er 1759 „Les Baigneuses“ fertig stellte, war er der bedeutendste Maler von „Marines“ in Frankreich, der von der Kritik gefeiert wurde.
Das Werk war bereits im 18. Jahrhundert höchst populär. Dies zeigt die vermutlich eigenhändige Replik, die sich heute im Musée des Beaux-Art, Nimes, befindet, sowie der Stich aus dem Jahr 1766 von J. J. Balechou. Dies verdeutlicht vor allem aber auch die Tatsache, dass ein gewisser Monsieur de la Borde, als er zwei Werke bei Vernet bestellte, darauf bestand, sie sollten so sein wie „Les Baigneuses“. (Vgl. Ausst.-Kat. München 1996: Claude-Joseph Vernet 1714-1789, München 1997, S. 15).
Das Bild atmet die heitere, zugleich aber auch melancholische Stimmung eines Sommerabends am Meer. Von einer Grotte aus sehen wir eine Meeresbucht, die von der Abendsonne in ein warmes Licht getaucht wird. Wir sehen ausgelassene junge Frauen, die sich gegenseitig mit Wasser bespritzen, sich abtrocknen oder im Wasser baden und die letzten Strahlen der Sonne genießen. Eine Magd, die uns den Rücken zuwendet, scheint in einem Korb Speisen zu bringen (oder trägt sie sie davon?). Wie die mit bloßem Auge sichtbaren Pentimenti zeigen, war diese Figur von Vernet zunächst zentraler platziert worden. Im Hintergrund sehen wir ein großes Segelschiff, das vor einem Hafen ankert sowie ein Ruderboot (mit Soldaten?).
Wie die Sonne die Felsen im Vordergrund in ein warmes helles Braun färbt; wie Schiff und Hafen in der Ferne im Abenddunst verschwimmen; wie die Steine durch das klare Wasser schimmern - all dies offenbart Vernets Fähigkeit, Naturphänomene darzustellen und Stimmungen wiederzugeben.
Vernet knüpft in „Les Baigneuses“ an die Malerei Claude Lorrains an, von dem er die idealisierte Landschaft und die farblich nuancierte Wiedergabe der Abendstimmung übernimmt (Tatsächlich wurden Gemälde Vernets als Pendants für Werke Lorrains, Berchems oder Dujardins bestellt). Anders als bei Lorrain jedoch, und anders als in der Renaissance und im Barock, sind es nicht mehr die Göttinnen der antiken Mythologie, die beim Baden dargestellt sind; es sind nicht mehr Diana oder Venus mit ihrem Gefolge, sondern einfache junge Frauen. Und es ist nicht mehr eine arkadische Landschaft, in der sich die Badenden vergnügen, sondern eine Bucht in der Nähe eines Hafens. Vernet profaniert das Thema der Badenden; und es scheint, dass er dabei einen bewussten Gegensatz schafft zwischen den ausgelassenen jungen Frauen im Vordergrund und dem geschäftigen Treiben im Hintergrund, zwischen der Natur hier und der Zivilisation dort.
Die Sehnsucht des zivilisierten Menschen nach der verlorenen Natur, nach Unschuld und Ursprünglichkeit war es auch, die Diderot in den Werken Vernets dargestellt sah: „Da spielen wir, die Sklaven unserer Gewohnheiten und Leidenschaften, die Pantomime des Naturmenschen (…), [und] fordern wir mit Geld und guten Worten den Pinsel eines Wouwerman, eines Berchem, eines Vernet dazu auf, uns die Sitten und Geschichte unserer Vorfahren wieder vor Augen zu führen.“ Es ist diese Sehnsucht, Teil der unberührten Natur zu sein, die Vernet uns, den Betrachtern, erfüllt, und zwar durch die Grotte, die die dargestellte Szenerie umrahmt. Sie stellt ein neues Bildelement im Verhältnis zu Lorrain dar, und sie schafft die Illusion, der Betrachter stehe in der Grotte, inmitten der Natur und erhasche einen Blick auf die badenden jungen Frauen. Zugleich sieht der Betrachter jedoch mit Wehmut die Sphäre der Zivilisation im Hintergrund, der er eigentlich angehört, und mit Wehmut sieht er auch, dass sich bald Dunkel über die Bucht legen und das fröhliche Treiben ein Ende haben wird. Wenn der heutige Betrachter solchermaßen die Schönheit des Gemäldes empfindet und zugleich eine gewisse Melancholie verspürt, wie es im 18. Jahrhundert Diderot, der Duc de Choiseul oder der Prince de Conti getan haben, so zeugt dies von der anhaltenden Modernität Claude-Joseph Vernets.

Provenance

M. Poulhariez, Marseilles (1753 gemeinsam mit einem Pendant beim Künstler bestellt und 1759 geliefert); Slg. d´Héricourt, Paris (?); Auktion Remy, Paris, 29.12.1766, Lot 73 bzw. 74; Etienne Francois, Duc de Choiseul, Paris (als Nr. 105 in dessen Inventar); Auktion Boileau, 6.4.1772, Lot 132; Louis Francois de Bourbon, Prince de Conti, Paris; Auktion Remy, 8.-6.6. 1777, Lot 734; Slg. Dulac, Paris; Auktion Paillet et Chariot, Paris, 30.11.1778; Slg. Tonnelier, Paris (?); Auktion Foliot et Gaubert, 28.11.1783; Auktion Paillet, spätes 18. Jahrhundert; Slg. Robit; Auktion Paillet et Delaroche, 11.5.1801, Lot 159; Bryant´s Gallery, London 1801/2; Slg. Cave; Auktion Sotheby´s, London, 5.7.1995, Lot 83; Deutsche Privatsammlung.

Literature

W. Buchanan: Memoirs of Paintings, London 1824, Bd. 2, S. 70; Léon Lagrange: Les Vernet. Joseph Vernet et la peinture au XVIIIe siècle, Paris 1864, S. 202, S. 211-213, S. 337; Jules Belleudy: J.-J. Balechou, Graveur du Roi, 1716-1768, Vaucluse 1908, Nr. 47 (zur Radierung nach dem Gemälde); Florence Ingersoll-Smouse: Joseph Vernet. Peintre de marine, Paris 1926, Bd. 1, S. 89, Nr. 696 (fälschlich mit dem Werk in Nimes identifiziert); Ausst.-Kat. London 1976: Claude-Joseph Vernet 1714-1789. London 1976, Nr. 69 (zur Radierung nach dem Gemälde).