Anna-Chaja Abelevna Kagan - Suprematistische Komposition mit Kreis - image-1

Lot 177 Dα

Anna-Chaja Abelevna Kagan - Suprematistische Komposition mit Kreis

Auction 896 - overview Köln
29.11.2006, 00:00 - Moderne und Zeitgenöss.Kunst
Estimate: 35.000 € - 40.000 €
Result: 76.160 € (incl. premium)

Öl auf Leinwand 55,4 x 64,4 cm, gerahmt. Rückseitig auf der Leinwand mit schwarzem Pinsel unleserlich beschriftet.

Anna Kagan studierte an der Witebsker Kunstschule in den Jahren 1919 bis 1920 bei Kasimir Malewitsch, der in deren Leitung Marc Chagall nachgefolgt war, und gehörte ab 1920 der von Malewitsch gegründeten Gruppe UNOWIS, der "Vereinigung der Bestätiger (Bejaher) der Neuen Kunst" an, die eine suprematistische Kunst proklamierte. Lissitzky, Suetin, Tschaschnik zählten u.a. zur UNOWIS, die im wesentlichen die künstlerischen und theoretischen Ansichten Malewitschs vertrat. Die kollektive Arbeit, hinter der das künstlerische Individuum zurück zu stehen hatte - auch Malewitsch - sollte den Kunstbegriff erweitern und Bereiche wie Theater und Architektur einbeziehen. Plakate und Propaganda, Tribünen, Festdekorationen, Reklame - all das wurde künstlerisch gestaltet. Die Werke der UNOWIS-Mitglieder wurden in den veranstalteten Ausstellungen ausschließlich als Gemeinschaftsarbeiten vorgestellt, und mit weiteren Zweigstellen in Moskau und Petrograd erlangte diese Gruppe großen künstlerischen Einfluß. Auch Künstler wie Popowa, Exter, Stepanowa oder Rodtschenko wandten sich zunehmend utilaristischen Kunstformen zu; 1923 fand beispielsweise die erste Landwirtschafts- und Heimindustrie-Ausstellung statt, die von u.a. von Exter und den Brüdern Stenberg gestaltet wurde.
Die vorliegende Komposition von Anna Kagan ist ein Zeugnis der von Malewitsch postulierten Richtlinien suprematistischer Malerei. 1915 schreibt Malewitsch
"Unter Suprematismus verstehe ich die Suprematie der reinen Empfindung in der bildenden Kunst. [...] Das schwarze Quadrat auf dem weißen Feld war die erste Ausdrucksform der gegenstandslosen Empfindung: das Quadrat = die Empfindung, das weiße Feld = das Nichts außerhalb dieser Empfindung."
In den nachfolgenden Jahren wurde das Repertoire um wenige Farben und Formen erweitert, die innerbildlichen Abläufe damit auf eine symbolische Rezeptionsebene gehoben. 1919 äußert er sich weiter:
"Das Schwarze ist das Zeichen der Ökonomie, das Rote das Signal der Revolution und das Weiße das der reinen Bewegung." (zit. nach: Ausst. Kat. Die grosse Utopie. Die russische Avantgarde 1915-1932, Frankurt 1992 (Schirn), S. 727).
Unabhängig von den neuesten technischen Entwicklungen wird der Suprematismus in einen kosmischen Zusammenhang gestellt; die Überwindung der Schwerkraft, die Eroberung des Weltalls werden als Konsequenz der inneren Haltung, der Entwicklung des menschlichen Geistes begriffen, unter dem Motto: Flugzeuge sind nicht für den Transport entwickelt worden, sondern aus dem Wunsch des Menschen heraus, die Schnelligkeit empfinden zu wollen. "Der Suprematismus steht in engem Zusammenhang mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Zeit. [...] Hinter der Welt, die wir wahrnehmen, steht die wirkliche Welt, die Energie als Urzustand - diese gilt es in der Kunst sicht- und erfahrbar zu machen. Malewitschs Absage an eine nutzbringende Funktionalität in der Kunst stellt eine Gegenposition zum konstruktivistischen Kunstbegriff dar." (ebenda)

Certificate

Mit einer Foto-Expertise von Andreij Nakov, Paris, vom 18.10.2006

Provenance

Vom Vorbesitzer beim Nachlaß des Künstlers erworben; Christie's London (1988); Galerie Barry Friedman, New York (rückseitiger Rahmenaufkleber); Süddeutsche Privatsammlung

Exhibitions

London 1988 (Christie's), Auction Imperial and Post-Revolutionary Russian Art, Kat. Nr. 554 mit Abb.