Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-1
Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-2
Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-3
Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-4
Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-1Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-2Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-3Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso - image-4

Lot 35 D

Heinrich Campendonk - Drei Reiter mit Lasso

Auction 910 - overview Köln
28.11.2007, 00:00 - Moderne Kunst
Estimate: 1.000.000 € - 1.400.000 €
Result: 1.380.000 € (incl. premium)

Öl auf Leinwand 75 x 60,5 cm, gerahmt. - Rückseitig auf dem oberen rechten Keilrahmen mit blauer Kreide numeriert "33080" und unten rechts auf der Leinwand bezeichnet "CAMPENDONC".
Firmenich 116 Ö

as Gemälde "Drei Reiter mit Lasso" stellt das bedeutendste Beispiel für Heinrich Campendonks Frühwerk dar. Das Bild entsteht in einer Zeit der zum "Blauen Reiter“, nach Campendonk Übersiedlung zu Franz Marc nach Sindelsdorf am Fuße der Alpen. Das Bild reflektiert die in diesem Umfeld herrschenden Ideen, die in dem zeitgleich erscheinenden Almanach "Der Blaue Reiter“ formuliert sind, und es ist stilistisch und inhaltlich eng mit der Künstlergruppe verknüpft.

Bereits 1910 waren Kontakte zu den in Süddeutschland lebenden Künstlern Franz Marc und Wassily Kandinsky über die freundschaftlichen Beziehungen zu August und Helmuth Macke geknüpft worden - und Kandinsky war es, der sich für die finanzielle Unterstützung des mittellosen Campendonk durch u.a. Alfred Flechtheim eingesetzt hatte. Die von der Künstlergruppe ausgehende Anziehungskraft war so groß, dass Campendonk im Jahr darauf von Krefeld nach Sindelsdorf zog, denn - wie er seiner Freundin und späteren Ehefrau Adda gegenüber äußerte, "[findest Du ] Führer wie W. Kandinsky und Marc höchstens noch in Paris". (zit. nach: Ausst. Kat. Krefeld/München 1989/90, Heinrich Campendonk, Ein Maler des Blauen Reiters, S. 17). Dennoch schränkte er später ein "ich habe mich zwar sehr beschäftigt mit Kandinsky'schen Ideen, und mir ist manches dadurch klarer geworden; aber ich habe nie daran gedacht, in geist- und zielloses Nachahmen zu geraten." (zit. nach Ausst. Kat. Heinrich Campendonk, Oberbayern - Station Penzberg 2002, S. 45).

Welch große Stücke Kandinsky und Marc auf ihren jüngeren Kollegen hielten, läßt sich aus der Tatsache schließen, daß sie sein Gemälde "Springendes Pferd" (Firmenich 115) in ihrem Almanach "Der Blaue Reiter" publizierten (vgl. Kandinsky/Franz Marc (Hg.), Der Blaue Reiter, München 1912, Dokumentarische Neuausgabe durch Klaus Lankheit, München 1965, S. 36 mit Abb.). Dieses heute im Besitz des Saarbrücker Saarlandmuseums befindliche Gemälde ist gleichsam als erste spiegelverkehrte Fassung unseres Werks "Drei Reiter mit Lasso" zu sehen und konzentriert sich auf das im Bildzentrum gezeigte steigende Pferd.
Der Bildaufbau aus arabeskenhaft verschlungenen amorphen und stark farbigen Elementen zeigt die Nähe zu den zeitgleichen Werken Wassily Kandinskys.
Die Erweiterung um weiteres Bildpersonal in Form von drei Reitern in exotischer Bekleidung und Federschmuck weist auf Campendonks Beschäftigung mit dem Almanach, in dem neben seinem eigenen Bild auch die Holzskulptur eines Einheimischen aus Südborneo mit Federkopfputz und Lendenschurz abgebildet ist und sich überdies Franz Marc zu "Den Wilden Deutschlands" äußert, deren Adaption der Kunst der französischen "Fauves" von deutschen Kritikern wie etwa Hans Rosenhagen bemängelt wurde (siehe Vergleichsabbildung; Hans Rosenhagen, Die "Wilden" 1911, zit. nach: Der Blaue Reiter - Dokumente einer geistigen Bewegung, hrsg. von Andreas Hüneke, Leipzig 1986, S.27 ff.). In Anlehnung an Marcs Artikel jedenfalls teilte Campendonk Adda seine Überlegung mit:
"Und sollte es nicht besser sein, sich den Wilden anzuschließen, die doch immer noch die Hoffnung haben, als veralteten Regeln zu huldigen. Warum das Ohr dem Rufen verschließen; es ist doch auch viel wertvoller, sich am Kampf zu beteiligen, der um Ideale ausgefochten wird, als sich denen anzuschließen, die die ungewohnten Äußerungen einer neuen Generation mutwillig verhöhnen." (zit. nach Ausst. Krefeld/München 1989/90, op.cit., S. 17 f.)
Die sich in exotischer Themenwahl auslebende Sehnsucht nach Ursprünglichkeit auch im künstlerischen Ausdruck jenseits eines veralteten akademischen Regelwerks findet sich bezeichnenderweise ebenfalls in den im selben Jahr, 1911, entstandenen Werken seiner Freunde August Macke und Hans Thuar (vgl. Peter Dering, Rheinische Expressionisten - Rheinische 'Exotisten', Winnetou und Kara Ben Nemsi, in: Verein August Macke Haus e.V. (Hg.), Kleine Fluchten - Exotik im Rheinischen Expressionismus, Bonn 1995, S. 8 ff.; Gustav Vriesen, August Macke, Stuttgart 1953, Nrn. 260, 265, 273). Gerade für Indianermotivik interessierte sich auch Macke, und seine Werke muten wie die Schilderung paradisischer Urzustände an; Mackes Indianer verkörpern den Typ des reinen, unschuldigen Wilden, der mit sich und der Natur im Einklang ist.
Doch während Macke in seinen Werken das Bildgeschehen als in sich geschlossen schildert und dem Betrachter so einen distanzierten Beobachtungsposten sichert, geht Campendonk mit seinen "Drei Reitern" offensiv zu Werke. Er entwickelt die Szene vom Bildzentrum aus in schneller Bewegung des Reiters, der auf den Betrachter in wildem Galopp zusprengt und seine Aufmerksamkeit und Begeisterung mittels seines Lassoschwungs einzufangen sucht wie ihm zurufend "Auf zu neuen künstlerischen Ufern". Vor diesem Hintergrund lässt sich das Gemälde "Drei Reiter mit Lasso" als programmatisches Beispiel für den Aufbruch einer Künstlergeneration auf dem Weg in die Moderne begreifen.

Catalogue Raisonné

Firmenich 116 Ö

Provenance

August und Elisabeth Macke, Bonn; Sammlung Lothar und Elisabeth Erdmann-Macke, Bonn; 7. Auktion Bassenge, Berlin, 1966; Galerie Großhennig, Düsseldorf; seitdem rheinischer Privatbesitz

Exhibitions

Krefeld 2007 (Kunstmuseen Krefeld - Kaiser Wilhelm Museum), Heinrich Campendonk zum 50. Todestag - Hirte, Fisch und Harlekin, o. Kat.
Literatur: Peter Dering, Rheinische Expressionisten - Rheinische 'Exotisten': Hans Thuar, Heinrich Campendonk, Paul Adolf Seehaus, in: Verein August Macke Haus e.V. (Hg.), Kleine Fluchten - Exotik im Rheinischen Expressionismus, Bonn 1995, S. 45 ff. mit ganzseitiger Abb. S. 48