Nach dem Geschmack des Himmelssohns

Kaiserliche Schreibtischobjekte aus einer westfälischen Privatsammlung (Lot 77 – 84)


Der Qianlong-Kaiser gilt als größter Sammler und Patron der Künste in der Geschichte Chinas. Die Antiquitätensammlungen des Hofs erweiterte er bedeutend, in den Palastwerkstätten ließ er aber auch zahlreiche neue Kunstobjekte in einer Vielfalt von Materialien herstellen. Seine besondere Leidenschaft galt der Jade, dem Stein des Himmels, belegt durch seine fast 800 Gedichte, in denen er sie preiste. Um 1757 eroberte die Qing-Dynastie die Region des heutigen Xinjiang, die über legendäre Jadevorkommen verfügt. Khotan-Jade, benannt nach einem alten Königreich, das sich einst dort befand, wurde aus Bergwerken im Kunlun-Gebirge abgebaut sowie in Kieselform aus dem Jurungkasch (Weißer Jadefluss) gesammelt und fortan in großen Mengen in die chinesische Zentralebene transportiert. Dort läutete sie das Goldene Zeitalter der chinesischen Jadekunst ein. Der Kaiser ließ sie in den Werkstätten Pekings, Suzhous und Yangzhous nach seinem Geschmack schnitzen.


Kaiserliche Siegel repräsentierten auf Dokumenten die vom Himmel verliehene Autorität – auf deren Fälschung stand die Todesstrafe. Qianlong soll etwa 1.800 Siegel besessen haben, von denen viele im „Qianlong baosou“ nachweisbar sind, dem Verzeichnis seiner Siegelabdrücke, das heute im Palastmuseum in Peking aufbewahrt wird. Sie lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen: „Staatsschatz“-Siegel (Guobao) für offizielle Regierungsdokumente und Freizeitsiegel (Xianzhang) für die Kennzeichnung von Kunstobjekten. Letztere waren mit glückverheißenden oder geschichtsträchtigen Idiomen (chengyu) graviert. Die beiden hier zur Versteigerung kommenden Siegelpaare (Lot 77, 78) sind Freizeitsiegel, die anlässlich des siebzigsten und achtzigsten Geburtstags des Kaisers geschnitzt wurden. Die filigran geschnitzten Knäufe und die Wahl der Farben spiegeln den persönlichen Geschmack des Kaisers wieder, der mit sehr spezifischen Wünschen immer wieder direkten Einfluss auf die Jadeproduktion nahm.


Die Vierzeichen-Idiome, die für die Abdrücke gewählt wurden, belegen die intellektuelle Frische, die er sich bis ins hohe Alter bewahren konnte, sie nehmen Bezug auf Gedichte Tang-zeitlicher Poeten und auf komplexe Diskussionen über die Staatsführung in den konfuzianischen Klassikern. Zu beiden runden Geburtstagen verfasste Qianlong Aufsätze, in denen er seine Beweggründe für die Siegelsprüche darlegt und damit gleichzeitig seine klassische Bildung zur Schau stellt. Die hier angebotene Bi-Scheibe (Lot 79) aus grüner Jade ist eine Reminiszenz an einen archaischen Jadetypus der Han-Zeit, welche dem Besitzer Glück für die Nachkommenschaft wünscht. Für ihre Nummerierung verwendete Qianlong das 1.000-Zeichen-Gedicht „Qianzi wen“, mit dessen Hilfe chinesische Kinder seit dem 6. Jahrhundert das Alphabet lernen. 


Auch bei der Herstellung des hier zur Versteigerung kommenden Tiger-Tuschereibsteins (Lot 84) verknüpfte Qianlong seine glorreiche Herrschaft mit der historischen Vergangenheit. Von der legendären Chengni-Tonerde las er in einer Song-zeitlichen Abhandlung und befahl ihre Wiederbelebung, die nach zahlreichen Experimenten auch gelang. Als Modell diente ein Han-zeitlicher Bronze-Tuschreibstein, den er von Künstlern in Suzhou mehrfach reproduzieren ließ. In die Deckel gravierten sie ein Gedicht des Kaisers im Stil seiner persönlichen Kalligrafie, welches dieser 27 Jahre zuvor über den Tiger-Tuschereibstein verfasst hatte. Ein Teil dieser über mehrere Generationen vererbten Sammlung wurde über drei Jahrzehnte als Dauerleihgabe im Museum für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem aufbewahrt und temporär ausgestellt, was ihre Qualität und Authentizität untermauert. 

 

Die Objekte der Privatsammlung finden Sie in unserem Katalog: Kaiserliche Schreibtischobjekte

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