Fragen an Martin Streit

Der ehemalige Schüler Gotthard Graubners über seine Kunst, seine Pläne, Ausstellungen und seine Inspiration. Ein Interview mit dem gebürtigen Koblenzer.

 

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

MS: Von 1983–86 habe ich in Trier eine Ausbildung zum Kunstglaser gemacht. Das war mein erster, intensiver Kontakt zur Farbe, Glasmalerei in Verbindung mit Architektur. Während meiner Ausbildung schon haben mich die Farben der Fenster und der gestalterische Aspekt mehr interessiert als die rein handwerkliche Ausführung meines Lehrberufes. Parallel zu meiner Ausbildungszeit belegte ich an der Europäischen Sommerakademie in Trier Zeichenkurse, gestaltete meine ersten Fenster und begann nach meiner Lehre, auf feste Bildträger zu malen. Nach meiner Lehrzeit widmete ich mich dann der Malerei und bewarb mich in Braunschweig und in Münster an der Kunstakademie. 1988 wurde ich Münster aufgenommen.

Wie sehr sind Ihre Arbeiten durch Ihre Lehrer bzw. Ihr Umfeld geprägt?

MS: Nach zwei Jahren Kunstakademie in Münster war mir klar geworden, dass ich zu Gotthard Graubner nach Düsseldorf wechseln muss. Er konnte mir die richtigen Fragen stellen, um meinen künstlerischen Ansatz weiterzuverfolgen und mir so etwas wie eine Basis bildnerischen Denkens vermitteln. Sein Umgang mit Farbe war mit Sicherheit sehr prägend für mein Verständnis von Farbe und Raum. Ebenso wichtig war der intensive Austausch und das Arbeiten mit den Kommilitonen/innen im Klassenraum.

Welche Künstler und/oder Kunstwerke haben Sie geprägt oder beeindruckt?

MS: Zu Beginn meines Studiums waren es zumeist die sehr pastos und gestisch malenden Maler wie Dieter Krieg, Emil Schumacher, Leon Kossoff, Frank Auerbach, Lovis Corinth oder De Stael. In meiner Auseinandersetzung mit Gotthard Graubner wurde die Frage nach Materialität und Ökonomie der Farbe grundsätzlich in Frage gestellt und hat meinen Umgang damit sehr beeinflusst. Auch die Auseinandersetzung mit Paul Cezanné war für mich von großer Wichtigkeit.

Wie würden Sie die Kunst, die Sie machen, beschreiben?

MS: Beschreiben kann man sie nicht. Interessiert bin ich an der Frage nach dem Verhältnis „Grund- Figur-Figur-Grund“. Ein altes Thema in der Kunstgeschichte, aber für mich ein sehr zentrales. Die Farbe spielt dabei eine sehr große Rolle. Ich würde mich als „Farbmaler“ bezeichnen. Letztlich ist es das, was für mich die Malerei trägt. Der Farbklang und der Farbraum. Das Bemühen, die Malerei flächig zu behandeln und über die Farbwirkung eine größtmögliche Räumlichkeit entstehen zulassen.

Gotthard Graubner konnte mir die richtigen Fragen stellen, um meinen künstlerischen Ansatz weiter zu verfolgen.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben? Was zeichnet Ihre Kunst aus?

MS: Meine Motivwelt ist meistens an Gegenständen wie Schalen, Becher, Kugeln, Architektur und Figuren gebunden. Es sind geometrische oder archaische Urformen mit denen ich künstlerisch umgehe.

Sie werden sehr klar und meist sehr zentral ins Format gesetzt. Ich setze mich bildnerisch mit Farbe und Form, Farbklang, Kontraste, Leuchtkraft, Scheinendes und Durchscheinendes, Grenzen und Auflösung von Grenzen auseinander. Oft wird meine Malerei als eine sehr ruhige, meditativ anmutende empfunden. Am Ende geht es mir darum, dem Betrachter genug Raum für eigene Imagination zu öffnen.

Wo finden Sie Inspiration?

MS: Für mich sind die Phänomene des Sehens und der Wahrnehmung das Zentrum für Inspiration. Zentrales Thema dabei ist die Beobachtung von Farbklängen und Farbwerten. Die Inspirationswelt findet zum einen im Atelier statt in der Auseinandersetzung mit den Objekten, die ich male oder fotografiere. Ebenso arbeite ich sehr viel mit einer mobilen Camera Obscura im städtischen und landschaftlichen Raum. Nicht weniger wichtig ist für mich das Beobachten von Naturphänomenen.

Am Ende geht es mir darum, dem Betrachter genug Raum für eigene Imagination zu öffen.

Aus welchen Gründen wählen Sie die Technik mit der Sie arbeiten? Sehen sie für sich bestimmte Vorteile des Medium bzw. wie definieren sich Ihre Arbeitsschritte?

MS: Jeder Künstler muss im Laufe der Jahre erspüren, mit welchen Materialien er in die Nähe seiner künstlerischen Aussage kommen möchte. Für mich war es immer die klassische Ölmalerei, sie bietet mir ein breites Spektrum für alle mir wünschenswerten bildnerischen Erscheinungsformen. Für die Untermalung benutze ich meist eine Eitempera Technik. Parallel zur Malerei habe ich 2010 ein weiteres Medium für meine künstlerische Arbeit entwickelt. Es ist eine Kombination aus der Camera Obscura und der digitalen Technik in einem mobilen Gehäuse. Die künstlerischen Ergebnisse sind Tintenstrahldrucke auf Alu–Dibond Platten aufgezogen. Dieses Camera Obscura Fotografien haben einen sehr engen ästhetischen Bezug zu meinen gemalten Bildern. Sie sind sehr malerisch und lassen fast nicht erkennen, ob sie gemalt oder fotografiert sind. Parallel zu der kleinen transportablen Camera Obscura, mit der ich sehr viel im städtischen Kontext fotografiere, habe ich im September 2014 eine große begehbare Camera Obscura auf der Kölner Domplatte entwickelt. Diese besteht aus zwei übereinander gestellten Seecontainern. Im oberen Container befindet sich in absoluter Dunkelheit ein raumgroß gespannter Stoff etwa 1,5 m parallel von einer 1,5 cm großen Lochblende in der Außenwand entfernt. Die Außenwelt wird, in dem Fall das Südportal des Kölner Domes, Spiegel und Seitenverkehrt in den Innenraum auf den Stoff projiziert. Besucher konnten dieses Lichtbild von der Rückseite des Stoffes wahrnehmen. In den Camera Obscura Räumen findet die Untersuchung von Wahrnehmungsprozessen statt. Der Betrachter ist der Dunkelheit ausgesetzt und erlebt physisch das sich langsam im Raum entwickelnde Bild. 25.000 Besucher haben die Installation innerhalb eines Monats gesehen.

Wie sieht Ihre Ateliersituation aus?

MS: Mein Atelier liegt im nördlichen Industriegebiet von Köln. Es ist eine ehemalige Stanzfabrik, die von den jetzigen Besitzern an verschiedene Firmen vermietet wird.

Welche war für Sie die wichtigste Ausstellung 2016?

MS: Es gab zwei wichtige Ausstellungen 2016. Im Frühjahr letzten Jahres fand eine umfangreiche, repräsentative Ausstellung im Zentrum von Düsseldorf in den Räumen der Deutschen Bundesbank statt. Die zweite fand in London im Raum X, einem Projektraum statt.

Welches war das erste Kunstwerk, dass Sie verkauft haben?

MS: Im Rahmen des Förderpreises der Kunstakademie Münster fand in meinem 3. Semesters dort der erste Ankauf statt. Dr. Friedrich Meschede hat für den Westfälischen Kunstverein eine Reihe von zehn kleinformatigen Ölbilder angekauft.

Sammeln Sie selber Kunst? Welches war das erste Kunstwerk, dass Sie gekauft haben?

MS: Wie bei vielen anderen Künstlern auch, wächst eine kleine Sammlung, die durch Tauschaktionen mit geschätzten Kollegen sich langsam entwickelt. Das erste Bild, welches ich erworben habe, war eine kleine Radierung von Max Liebermann, die ich in den 90iger Jahren in einer Kölner Galerie entdeckte.

Stehen Ausstellungen oder Projekte für dieses oder nächstes Jahr an?

MS: Für dieses Jahr sind bereits drei Ausstellungen in Planung. Im Februar nehme ich an einer großen Gruppenausstellung in einer Brüsseler Galerie teil. Diese Galerie möchte im Herbst 2017 eine große Einzelausstellung mit meinen Arbeiten machen. Anfang März werde ich neue Arbeiten in einer Kölner Galerie in einer Einzelausstellung zeigen.

Wie bei vielen anderen Künstlern auch, wächst eine kleine Sammlung.

Woran arbeiten Sie im Moment?

MS: Ich bin derzeit wieder in einer sehr intensiven Malphase. Es entstehen überwiegend kleinformatige Ölbilder, die auch in der kommenden Ausstellung in Köln zu sehen sein werden. Es sind meist Architektur und Stilllebenbilder. Parallel dazu arbeite ich gerade an einem Mappenprojekt. Ich plane im Frühjahr, eine Mappe mit zwölf Fotografien von der Südfassade des Kölner Domes herauszugeben. Die Aufnahmen sind in der begehbaren Camera Obscura entstanden. Sie nimmt künstlerisch Bezug auf zu den seriellen Cathedralbilder Claude Monet‘s. Im Weiteren arbeite ich an der Konzeption von neuen begehbaren Camera Obscura Projekten.

lempertz:projects

Die Werke von Martin Streit werden im Rahmen unserer Auktion lempertz:projects versteigert.

lempertz:projects ist ein neues Auktionsformat; 2017 wird es zum ersten Mal stattfinden und als Sonderauktion unser diesjähriges Auktionsangebot zeitgenössischer Kunst verstärken.