Sylvie Fleury entschlüsselt und hinterfragt die Sprache der Konsumkultur. Die Schweizer Künstlerin stellt die Träume und Versprechungen einer glitzernden Scheinwelt auf den Prüfstand, enthüllt den schmalen Grat zwischen Verlangen und Zwang und feiert gleichzeitig deren Zauber und Ästhetik.
(...) WeiterlesenSylvie Fleury – Eine obsessive Sammelleidenschaft beginnt mit dem Roten Kreuz
Sylvie Fleury wurde am 24. Juni 1961 in Genf geboren. Als Au-pair-Mädchen kam sie in den 1980er Jahren nach New York, fand dort Anschluss an eine Gruppe von Studenten, die sich mit Kurzfilmen beschäftigte, besuchte die Germain School of Photography und hatte die Möglichkeit, für einen Tag lang als Assistentin beim Altmeister der Fotografie Richard Avedon zu arbeiten. Im Anschluss reiste Sylvie Fleury nach Indien, wo sie den klassischen Bharatanatyam-Tanz erlernte, kehrte nach Genf in die Schweiz zurück und arbeitete eine Zeit lang für das Rote Kreuz. Dabei entwickelte sie eine recht eigenwillige Sammelleidenschaft: Unter dem Pseudonym Silda von Braun trug sie alles zusammen, was mit einem roten Kreuz gekennzeichnet war – unter anderem kaufte sie das komplette Interieur einer Zahnarztpraxis, mit der sie ihre eigene Wohnung in ein Zahnarztkabinett umwandelte. 1990 traf Fleury den Genfer Performance-Künstler John Armleder und wurde zunächst dessen Assistentin. Gemeinsam bezogen sie die Villa Magica, ein großes altes Haus am Genfer Stadtrand, in dem die Künstlerin heute allein lebt und genügend Raum findet, um ihre Sammelleidenschaft auszuleben.
Eine Verlegenheitslösung wird zum Star der Kunstwelt
Sylvie Fleury legte in den 1990er Jahren den Grundstein für ihre Weltkarriere, als sie den kurzfristig abgesprungenen Christian Floquet bei einer geplanten Gemeinschaftsausstellung mit ihrem Künstlerfreund John Armleder und dessen Kollegen Olivier Mosset vertrat. Kurzerhand stellte sie eine Auswahl an Edel-Einkaufstüten zu einer Installation zusammen, die sie in Anlehnung an ein Parfüm von Christian Lacroix »C'est la vie« benannte und zwischen die Bilder Armleders und Moussets platzierte. Über Nacht wurde Sylvie Fleury damit zu einem Star der internationalen Kunstszene: Die glitzernde Konsumwelt mit all ihren Verheißungen, von denen sich Fleury selbst immer wieder gern verführen lässt und mit der sie eine Art Hassliebe verbindet, wird in einem faszinierenden und verschwommenen Wechselspiel aus Hommage und Persiflage zum Zentrum ihres künstlerischen Schaffens. Hinter der spiegelglatt polierten Oberfläche ihrer Objekte verbirgt sich ein Abgrund der Doppelbödigkeit, dessen Interpretation auch deshalb schwerfällt, weil Sylvie Fleury jede Hilfe in Form von Kommentaren oder erklärenden Texttafeln verweigert.
Ein feministischer Ansatz mit mehrdeutigen Provokationen
Sylvie Fleury ist eine Meisterin der Mehrdeutigkeit, die trotz ihrem klassisch weiblich anmutenden Interesse an Beauty-Artikeln einen feministischen Ansatz verfolgt und auch vor Ikonen der (männlichen) Kunstgeschichte nicht haltmacht: Werke von Marcel Duchamp, Piet Mondrian und Andy Warhol werden von ihr zitiert und ungeniert mit Plüschfetzen und Diät-Cola verfremdet. Elegant ausstaffierte Models lässt sie mit Maschinengewehren auf Handtaschen von Chanel feuern. Außerdem begeistert sich Fleury für schnelle Autos, insbesondere für große und tiefergelegte »Amischlitten«. Auch als Musikerin ist Sylvie Fleury aktiv; unter ihrem eigenen Plattenlabel Villa Magica Records, das sie mit Armleder und dessen Sohn Stéphane betreibt, sind CDs und LPs mit Liedern von Fleury selbst, aber auch von Künstlern wie Gerwald Rockenschaub erschienen.
Für ihre Kunst erhielt Sylvie Fleury Preise und Auszeichnungen, 2015 wurde sie für den Genfer Prix de la Société des Arts nominiert, 2018 wurde ihr der Prix Meret Oppenheim zuerkannt.
Sylvie Fleury - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: