Séraphine Louis: Ein Engel drängte sie zum Malen
Séraphine Louis wurde am 3. September 1864 in der französischen Gemeinde Arsy im Département de l'Oise geboren. Sie stammte aus einer einfachen Arbeiterfamilie; die Mutter starb, als Séraphine Louis gerade ein Jahr alt war, den Vater, einen Tagelöhner, verlor sie im Alter von sieben Jahren. Ihre beiden älteren Schwestern kümmerte sich in dieser Zeit um die Künstlerin, die schon als Kind für die Bauern in der Umgebung Gelegenheitsarbeiten erledigte und Schafe hütete. Mit 13 Jahren begann Séraphine Louis als Dienstmädchen zu arbeiten, 1881 fand sie Aufnahme als Haushälterin oder Laienschwester im Kloster von Senlis, woher ihr später gebrauchtes Pseudonym Séraphine de Senlis rührt. Ihre tiefe Frömmigkeit prägte ihr ganzes Leben und auch ihre Kunst; den Anstoß, mit dem Malen zu beginnen, soll ihr ein Engel als Bote der Gottesmutter Maria in der Kathedrale von Senlis übermittelt haben. Die Buntglasfenster der Kirche haben die Malweise der Künstlerin wahrscheinlich stark beeinflusst. Weil sie sich keine Leinwände leisten konnte, malte Séraphine Louis auf alle möglichen Gegenstände, die ihr zur Verfügung standen, meist nach ihrer Arbeit bei Kerzenlicht. Vorwiegend nutzte sie dafür das ebenso preiswerte wie leuchtkräftige Ripolin, das der niederländische Chemiker Carl Julius Ferdinand Riep (1835–1898) entwickelt hatte.
Reden mit Bäumen und Malen auf Käseschachteln
Séraphine Louis verließ aus unbekannten Gründen das Kloster und arbeitete in verschiedenen Haushalten als Aufwartefrau, bis sie schließlich bei dem Juristen Chambard in Senlis Anstellung fand. Dort malte sie ihre Blumen und Früchte auf Hut- und Schuhschachteln, Käsedosen und Geschirr. Ihre Dienstherrin hatte dafür nur Spott übrig, aber der Sohn des Hauses ermutigte sie, an ihrer künstlerischen Tätigkeit festzuhalten. Trotzdem wurden viele dieser frühen Arbeiten als Abfall entsorgt. Séraphine Louis mietete sich schließlich eine eigene kleine Dachkammer, die sie als Atelier benutzte. Beim Malen sang sie religiöse Lieder; nach dem überlieferten Zeugnis der Nachbarn war sie allerdings für die Musik weit weniger begabt als für die bildende Kunst. Für Verwunderung sorgte auch ihre eigenwillige Erscheinung mit kurz geschnittenem Haar, weißem Schal, schwarzem Rock und Männerschuhen sowie ihre Angewohnheit, mit Bäumen zu sprechen. Anerkennung fand sie lange nicht; der ansässige Lebensmittelhändler akzeptierte ihre Bilder als Bezahlung für Rotwein, ihrer guten Freundin, einer Gemüsehändlerin, schenkte sie zum Dank für die tägliche Suppe einige Werke, die später von deren Erben leichtfertig zerstört wurden.
Erst Wilhelm Uhde erkannte den Wert ihrer Kunst
Séraphine Louis erregte mit ihren Bildern schließlich die Aufmerksamkeit des deutschen Galeristen und Kunsthändlers Wilhelm Uhde (1874–1947), der durch Zufall eines ihrer Blumenstillleben sah und nach dessen Ursprung forschte. Er verschaffte der Künstlerin Leinwände und ermutigte sie zu weiteren Bildern, die er selbst erwarb. Seine Angebote, ihre Bilder in Paris auszustellen, lehnte sie ab; sie wollte in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und zeigte kein Interesse an einem Anschluss an die Kunstwelt. In den 1930er Jahren verschlechterte sich ihre geistige Gesundheit zusehends, sie verschwendete ihr Geld und verkündete das nahe Weltende. Möglicherweise hatten die giftigen Materialien, aus denen sie ihre Farben oft selbst zusammenmischte, nicht nur ihre teils psychedelischen Bilderwelten inspiriert, sondern auch ihre Physis angegriffen. Im Februar 1932 wurde die Künstlerin in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo sie während des Zweiten Weltkriegs mangels ausreichender Betreuung elend verhungerte.
Séraphine Louis starb am 11. Dezember 1942 in Clermont.
Séraphine Louis - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: