Yves Tanguy: Als Autodidakt vom Matrosen zum Maler
Yves Tanguy wurde am 5. Januar 1900 in Paris geboren. Der Sohn eines pensionierten Marineoffiziers meldete sich nach der Schule zur Handelsmarine und gelangte auf diesem Weg nach Afrika, England und Südamerika. In dieser Zeit schloss er Freundschaft mit dem gleichaltrigen Dichter Jacques Prévert (1900–1977). Doch die Freiheit, die er auf See vergeblich suchte, fand er schließlich in der Malerei: Im Alter von 22 Jahren sah er in Paris von einem Bus aus im Vorbeifahren im Schaufenster der Galerie Paul Guillaume zwei Bilder des italienischen Malers Giorgio de Chirico (1888–1978), darunter das im Jahr 1914 entstandene surrealistische Schlüsselwerk Das Gehirn des Kindes. Tief beeindruckt begann Yves Tanguy wenige Zeit später, selbst zu aquarellieren und zu malen, absolvierte aber keine ordentliche Ausbildung und blieb als Künstler zeitlebens Autodidakt. Seine ersten Motive fand er in den zahlreichen Pariser Cafés. Mit seinem Freund Prévert und dessen Dichterkollegen Georges Duhamel (1884–1966) bildete er in diesen Jahren zeitweilig eine Wohngemeinschaft.
Im Surrealismus fand Tanguy eine künstlerische Heimat
Yves Tanguy malte zunächst im Stil des Dadaismus, kam aber über seine Mitbewohner Duhamel und Prévert intensiv mit den Surrealisten um André Breton (1896–1966) in Kontakt. Breton wurde zu Yves Tanguys wichtigstem Mentor und prägte dessen Malweise ein Leben lang. Die anfänglich noch zu spürenden Einflüsse von Dadaismus, Expressionismus, Kubismus und Neuer Sachlichkeit wichen 1925 einem eigenen, vom klassischen Surrealismus Bretons bestimmten Stil. Mit den bedeutenden Künstlern des Surrealismus pflegte Yves Tanguy regen Austausch: Salvador Dalí (1904–1989), Max Ernst (1891–1976), André Masson (1896–1987) und René Magritte (1898–1967) gehörten zu seinem festen Umgang, die allerdings sein eigenes künstlerisches Wirken zu dieser Zeit überschatteten. 1927 konnte Yves Tanguy seine erste Einzelausstellung in der Galerie Surréaliste in Paris bespielen, im selben Jahr heiratete er auch seine erste Frau Jeannette Ducrocq (1896–1977), von der er sich 1940 scheiden ließ, um die Künstlerin Kay Sage (1898–1963) zu heiraten, mit der er nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die USA emigrierte.
Träumerische Landschaften und Untergangsvisionen
Yves Tanguy pflegte einen einzigartigen Stil mit hohem Wiedererkennungswert, für den besonders weitläufige, abstrakte Landschaften kennzeichnend waren. Gerade in seinem Frühwerk schimmert deutlich der Einfluss Giorgio de Chiricos durch, später wurden auch Anklänge an Salvador Dalí deutlich, von dem er sich vor allem durch das Weglassen eines Horizontes unterschied. Nach seiner Emigration in die USA wichen die visionären Traumlandschaften unter dem Eindruck der Schrecken des Zweiten Weltkriegs mehr und mehr Motiven, die sich als kritische Kommentare zu Aufrüstung und Krieg deuten ließen. Yves Tanguy beeinflusste mit seiner surrealistischen Malweise auch mehrere jüngere Künstler, zu denen Roberto Matta (1911–2002), Wolfgang Paalen (1905–1959), Esteban Francés (1913–1976) und die Malerin Toyen (1902–1980) gehörten. Seine letzten Jahre waren von Alkohol und aggressiven Ausfällen gegenüber seiner Frau geprägt.
Yves Tanguy starb am 15. Januar 1955 in Waterbury/Connecticut, USA.