Seinen Zeitgenossen galt er als Sonderling, und Willy Guggenheim, der mit seinem Künstlernamen Varlin einen Anarchisten und Revolutionär ehrte, gefiel sich gut in dieser Rolle. Alles Zeitgemäße war ihm fremd, er ging mit Absicht die ungeraden Wege und mied bewusst jede Form der Anpassung.
(...) WeiterlesenWilly Guggenheim war lieber Karikaturist als Lithograf
Willy Guggenheim wurde am 16. März 1900 in Zürich geboren. Zu seinen prägenden Kindheitserfahrungen gehörte der Tod; im Alter von 12 Jahren verlor er erst seine ältere Schwester, dann seinen Vater Hermann Guggenheim, einen assimilierten Juden, Lithografen und Inhaber eines Ansichtskartenverlages. In St. Gallen besuchte Willy Guggenheim die Kantonsschule und absolvierte eine Lehre im lithografischen Atelier Seitz. Die Lithografie erschien ihm allerdings als schwere, freudlose Arbeit und er nahm sich vor, sie für den Rest seines Lebens zu meiden. Mehr Interesse weckte der Unterricht von August Wanner an der kunstgewerblichen Abteilung der St. Gallener Gewerbeschule. Während dieser Zeit lernte er Ferdinand Gehr kennen, den großen Schweizer Maler des Mystischen und Sakralen, mit dem sich auch sein späterer Lebensweg immer wieder kreuzen sollte. Ein weiterer Umzug führte Willy Guggenheim nach Berlin, wo er die Kunstgewerbeschule besuchte. In den 1920er-Jahren schuf er zahlreiche Karikaturen, die er häufig mit »Willy Guggenheim« oder schlicht »Willy« signierte. Viele davon erschienen in dem Satireblatt »Nebelspalter«.
Entdeckt und gefördert durch Leopold Zborowski in Paris
Willy Guggenheim übersiedelte 1923 für mehrere Jahre nach Paris; in der französischen Haupt- und Kulturstadt besuchte er die Grande Chaumière, die Académie Julian und die Académie André Lhote. 1930 lernte er den polnischen Dichter und Kunsthändler Leopold Zborowski kennen, der ihm einen Vertrag und ein Atelier verschaffte. Weil Zborowski die Ansicht vertrat, mit dem an amerikanische Kunstmagnaten erinnernden Namen Guggenheim sei in der Kunstwelt kein Staat zu machen, schlug er seinem Schützling das Pseudonym Varlin vor. Die Wahl verdankte sich dem französischen Anarchisten und Revolutionär Eugène Varlin, der die Pariser Kommune von 1871 geführt hatte. Jedoch starb Zborowski bereits 1932 und Varlin kehrte in seine Geburtsstadt Zürich zurück. Im Stadtteil Wollishofen bezog er gemeinsam mit Mutter und Schwester eine bescheidene Drei-Zimmer-Wohnung, die ihm gleichzeitig als Atelier diente. Dreimal bewarb sich Varlin erfolgreich um das eidgenössische Kunststipendium, von dieser Erleichterung abgesehen, musste sich die kleine Familie aber mit bescheidenen Mitteln begnügen. Erst in den 1950er-Jahren konnte Varlin erstmals wirklich bedeutende und beachtete Ausstellungen veranstalten.
Großer Erfolg und privates Glück in späten Jahren
Als Varlin wurde Willy Guggenheim schließlich so bekannt, dass er es in seinen späten Jahren nicht nur zu bescheidenem Wohlstand brachte, sondern mit seinem Modell Franca Giovanoli auch sein privates Glück fand. 1960 nahm er mit Erfolg an der Biennale von Venedig teil und das Zürcher Kunsthaus eröffnete eine vielbesuchte Ausstellung. Jetzt standen die Großen der Zeit Schlange, um sich von Varlin malen zu lassen, und vor allem die Dichter schätzten seine Kunst: Friedrich Dürrenmatt, Hugo Loetscher, Max Frisch. Berühmtheiten und Honoratioren bildeten den üblichen Umgang des jetztanerkannten Künstlers. Er, der Außenseiter, gehörte plötzlich zum Establishment; trotzdem verlagerte er um seiner Frau willen seinen Lebensmittelpunkt immer mehr ins ländliche Bergell, wo er für sich und seine junge Familie – er war mit über 60 Jahren noch Vater einer Tochter geworden – in dem kleinen Dorf Bondo ein Haus gekauft hatte.
Willy Guggenheim, genannt Varlin, starb am 30. Oktober 1977 in Bondo. Nach seinem Tod geriet seine Kunst zeitweilig wieder in Vergessenheit, rückte aber in den letzten Jahren wieder verstärkt in das Interesse der Öffentlichkeit. Dafür sorgte nicht zuletzt seine Tochter Patrizia Guggenheim, die sich nicht nur im Rahmen des 4. Bergeller Kunstfestivals um das künstlerische Erbe ihres Vaters bemühte.
Varlin (Willy Guggenheim) - Werke, die bereits im Kunsthaus Lempertz verkauft wurden: