Ernst Ludwig Kirchner - Tänzerin mit gehobenem Rock - image-1

Lot 251 Nα

Ernst Ludwig Kirchner - Tänzerin mit gehobenem Rock

Auktion 1110 - Übersicht Köln
01.06.2018, 17:00 - Moderne Kunst
Schätzpreis: 60.000 € - 80.000 €

Ernst Ludwig Kirchner

Tänzerin mit gehobenem Rock
1909

Original-Holzschnitt auf kartonstarkem Velin 24,9 x 33,8 cm (38 x 50,1 cm) Unter Glas gerahmt. Signiert. Erschienen in der V. Jahresmappe der Künstlergruppe Brücke 1910. Gercken nennt eine ursprüngliche Auflage von ca. 70 Exemplaren. - Dennoch sehr selten. - Blattkanten etwas beschnitten. Kanten minimal gebräunt bzw. minimal stockfleckig.

Im Jahr 1906 entschlossen sich die Maler der Künstlervereinigung „Brücke“, interessierte Kunstfreunde auch als passive Mitglieder aufzunehmen. Gegen einen jährlichen Beitrag von 12 Mark erhielten diese von den Künstlern gestaltete Mitgliedskarten, Jahresberichte und als Jahresgabe eine Mappe mit 3 bis 4 graphischen Arbeiten. Die ersten erschienenen Jahresmappen seit 1906 enthielten jeweils Blätter von verschiedenen Künstlern. 1909 kam man überein, dass die Werke künftig jeweils nur noch von einem Künstler geschaffen werden sollten, einen passenden Umschlag gestaltete jeweils eines der anderen Mitglieder.
Für die V. Jahresmappe des Jahres 1910 steuerte Kirchner die graphischen Arbeiten bei und entschied sich bei seiner Auswahl für drei sehr gegensätzliche Blätter: den Farbholzschnitt „Mit Schilf werfende Badende“ (Gercken 375, Dube H. 160), den Holzschnitt „Tänzerin mit erhobenem Rock“ (Gercken 376, Dube H. 141) und die Radierung „Drei Badende an den Moritzburger Teichen“ (Gercken 377, Dube R. 69). Für den Umschlag schuf Erich Heckel den Holzschnitt „Kniender Akt“ (Dube H. 181). Für jede Graphik war, neben sehr wenigen Exemplaren außerhalb der Mappe, eine Auflage von etwa 70 Abzügen entsprechend der Anzahl der aktiven und passiven „Brücke“-Mitglieder vorgesehen.
Die „Tänzerin mit gehobenem Rock“, von der ein schönes Exemplar in dieser Auktion angeboten werden kann, steht beispielhaft für Kirchners Meisterschaft in der Technik des Holzschnitts. Trotz der recht hohen Auflage der Jahresmappe ist gerade diese Graphik von außergewöhnlicher Seltenheit. Das Blatt hält eine laszive Szene aus dem Nachtleben der Großstadt fest und hebt sich damit thematisch von den beiden anderen Graphiken ab, welche idyllische Badeszenen an den Moritzburger Teichen abbilden. Die Komposition ist von Diagonalen bestimmt. Kopf und Oberkörper der Tänzerin neigen sich nach rechts vorne dem Betrachter zu, die nackten Arme sind vom Körper abgewinkelt, der schwingende weite Rock, den sie mit beiden Händen anhebt, löst sich in eine schwarz-weiße diagonale Fläche auf. Weitere Tänzerinnen sind als helle Fragmente im Hintergrund angedeutet. Mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten und den spröden, reduzierten Mitteln des Holzschnitts erreicht Kirchner eine Momentaufnahme von außerordentlicher Dynamik und Expressivität.

Werkverzeichnis

Gercken 376 II B; Dube H. 141 III

Provenienz

Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt; Privatsammlung Schweiz

Literaturhinweise

Eberhard W. Kornfeld, Ernst Ludwig Kirchner. Nachzeichnung seines Lebens, Bern 1979, S. 25 ff. mit Abb. S. 31