Maestro del Tondo Borghese - Anbetung des Kindes - image-1

Lot 2005 Dα

Maestro del Tondo Borghese - Anbetung des Kindes

Auktion 1153 - Übersicht Köln
30.05.2020, 11:00 - Alte Kunst
Schätzpreis: 50.000 € - 70.000 €

Maestro del Tondo Borghese

Anbetung des Kindes

Öl auf Holz (parkettiert). Durchmesser 85 cm.

Das hier präsentierte florentinische Rundbild zur privaten Andacht zeigt in einer intimen Idylle die Heilige Familie anlässlich der Geburt Christi. Während der greise Joseph nachdenklich in sich zurückgezogen scheint, betet die Muttergottes ihr göttliches Kind an, das mit munterer Gebärdensprache mit ihr kommuniziert. Im Bildhintergrund weist eine wunderliche Himmelserscheinung in Form des sich inkarnierenden Kindes den auf einem Hügel ihre Schafe weidenden Hirten den Weg zum neu geborenen Erlöserkind. Dieses hat der sich den Hügel herabwindende Tross der Heiligen Drei Könige samt einer aufgescheuchten Giraffe bereits gefunden.
Vorliegende meditative Schilderung des Weihnachtsmysteriums beruht auf einer von Filippo Lippi angeregten Bildvorlage, wie sie von Domenico Ghirlandaio und in der Werkstatt des Florentiners Cosimo Rosselli (1439-1507) und von den Künstlern aus seinem Umkreis variierend verschiedentlich ins Bild gesetzt wurde. Die stilistischen und ikonographischen Bezüge zu Cosimo Rossellis Kunst sind hier unverkennbar, zumal dessen Figurenrepertoire hier in eine Kunstsprache umgesetzt wurde, die sich mit jenem Künstler verbindet, dessen Werkkatalog 1896 und 1927 erstmals von Ulmann (Ulmann 1896, S. 139) und G. De Francovich (G. De Francovich, 1926/27 S. 535-540) herauskristallisiert wurde. Die Kunst dieses unbekannten Malers ist unverkennbar geprägt von der Kunst seiner Zeitgenossen Domenico Ghirlandaio (1448-1494) und besonders Cosimo Rosselli.
Aufgrund der künstlerischen Verbindung zu eben diesen Malern glaubten die beiden erwähnten Kunsthistoriker den in Rede stehenden anonymen Künstler mit einem gewissen Jacopo del Tedescho identifizieren zu können, zumal dieser von Giorgio Vasari als einer der Schüler Ghirlandaios erwähnt wurde (G. Vasari, 1568, ed. 1878/1906). Dieser Vorschlag wurde jedoch später von Everett Fahy mangels stringenter Indizien abgelehnt. Er beliess den betreffenden Maler in der Anonymität und benannte ihn nach dessen Tondo mit der Anbetung des Kindes in der Galleria Borghese in Rom "Meister des Borghese Tondo" (Fahy 1976, S. 167-168). Stilistisch engst verknüpft mit dem Werk dieses anonymen Florentiners ist auch das vorliegende Rundbild mit der Anbetung des Kindes durch die Heilige Familie einschliesslich des Täuferknaben. Wie erwähnt, repräsentiert unser Bild eine beliebte Bilderfindung des Cosimo Rosselli, wie sie in ähnlicher Form in dessen Rundbild im Reichsmuseum in Amsterdam vorgebildet ist. Diese Bildlösung, die sich offenbar einer grösseren Beliebtheit erfreute, wurde von unserem Maler verschiedentlich repliziert, so auch im Namen gebenden Rundbild in der Galleria Borghese in Rom und einem weiteren Tondo in Privatbesitz
Wenngleich der Madonnentypus unseres Bildes sich eng an die Vorgaben des Cosimo Rosselli und Ghirlandaios anschliesst, sind die Stilisierungen der Binnenformen in der Gesichtsbildung des Madonnengesichts jedoch unverkennbar jene, die sich mit dem Werk des Meister des Tondo Borghese verbinden. Dieser Maler muss sich künstlerisch an den revolutionären Entwicklungen in der Werkstatt Verrocchio's (1435-1488) namentlich an den dort zeitweilig tätigen Malern, insbesondere an Domenico Ghirlandaio formiert haben. Womöglich wirkte er zu Beginn der 1480 er Jahre innerhalb einer Werkstatt eines dieser Maler - womöglich Domenico Ghirlandaios oder Cosimo Rossellis - in Rom an der Freskierung der Sixinischen Kapelle mit. Diese Erfahrung innerhalb eines Malerkollektives der damals besten italienischen Renaissance Maler dürfte sein Frühwerk bestimmt haben, während er sich in der Folge mehrheitlich Cosimo Rosselli zuwandte - vielleicht ein Indiz, dass er womöglich eine gewisse Zeit in dessen Werkstatt mitgewirkt hatte und diesem auch in einer späten Phase zur Seite stand. Vorliegende Tafel des Meisters des Tondo Borghese, die eine unverkennbare stilistische Anlehnung an Cosimo Rosselis Kunst erkennen lässt, wie sie ähnlich auch in seiner «Assunta» der datierten 1494 Tafel mit der Mariens Himmelfahrt (ehemals Florenz Sammlung Bellini) und seiner Annunziata im freskierten Zyklus in Sant' Agata in Florenz (1505) feststellbar ist (Lisa Venturini,1992, pp. 283-289), dürfte im gleichen Zeitraum, womöglich in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Gewisse Anklänge an Ghirlandaio frühere Werke, wie dessen, wohl in Verrocchios Werkstatt entstandene Madonna im Louvre bestätigen eine Entstehung, die noch in die vielleicht früheren 1490 er Jahre zurückreicht. Damit ist unser Rundbild ein repräsentatives Zeugnis der florentinischen Renaissance Malerei des ausgehenden 15.Jahrhunderts; zugleich bezeugt sein Maler die regen Betriebsamkeit der Künstlerwerkstätten, die danach trachteten, einer regen Nachfrage seitens der reichen florentinischen Bürgerschicht nach standartisierten Bildtypen berühmter Maler zuweilen handwerksmässig zu stillen.
Wir danken Professor Gaudenz Freuler für diesen Katalobeitrag.

Zertifikat

Prof. Dr. Gaudenz Freuler, April 2020.

Provenienz

Collection Dampierre (Siegel auf der Rückseite). - Skandinavische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Zitierte Literatur: H. Ulmann: Piero di Cosimo, in: Jahrbuch der Königlichen Preussischen Kunstsammlungen, XVII, 1896, S.139. G. De Francovich: Appunti su alcuni minori pittori fiorentini della seconda metà del secolo XV, in: Bolletino d’ Arte,VI,1926/27, p.535-540
Lisa Venturini, in: Maestri e Botteghe.Pittura a Firenze alla Fine del Quattrocento, (exh.cat. Florence Palazzo Strozzi 16.10 1992- 10.1.1993) Cinisello Balsamo 1992, S. 283-289.